Antidiabetika – Medikamente bei Diabetes-Typ-2

Antidiabetika – Medikamente bei Diabetes-Typ-2

Zur Behandlung des Diabetes-Typ-2 sind zahlreiche Medikamente mit verschiedenen Wirkprinzipien auf dem Markt. Hier stellen wir Ihnen die wichtigsten Wirkstoffgruppen vor. In einem eigenen Beitrag behandeln wir das Insulin. In den meisten Fällen wird jedoch mit einer Therapie ohne Medikamente gestartet. Das beinhaltet zum Beispiel mehr Bewegung und die Umstellung der Ernährung.

Medikamente laut Nationaler VersorgungsLeitlinie 2023

Biguanide

Biguanide (Metformin) verhindern die Zuckerneubildung in der Leber, verzögern die Aufnahme von Glucose aus dem Darm und verbessern die Zuckerverwertung in der Muskulatur. Dadurch senken sie den Blutzuckerspiegel sowohl nüchtern als auch nach dem Essen und wirken Insulin-sparend. Biguanide führen nicht zu einer Gewichtszunahme und können eine bestehende Insulinresistenz senken, die häufig bei Übergewichtigen vorkommt. Daher eignen sich diese Medikamente besonders für übergewichtige Patienten. Wie Studien zeigen, hat Metformin – neben den Blutzucker-senkenden Wirkungen ­auch auf den Fettstoffwechsel und auf das Herz-Kreislauf-System positive Effekte. Unterzuckerung kommen unter Metformin kaum vor.

Nebenwirkungen: Bei Behandlungsbeginn können gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Bei fortgeschrittenem Nierenversagen, kann es zu Laktazidose kommen (Übersäuerung des Bluts). Bei Langzeittherapie sollten die Vitamin-B12-Spiegel regelmäßig kontrolliert werden.

Praxistipp:

  • Wann immer möglich, sollte die medikamentöse Therapie des Typ-2-Diabetes mit dem Standardtherapeutikum Metformin in langsam aufsteigender Dosis begonnen werden.
  • Die Tabletten sollten unmittelbar nach dem Essen eingenommen werden.
  • Informieren Sie Ihren verschreibenden Arzt/ Ärztin, wenn Sie akut krank werden (z.B. hohes Fieber bekommen) oder eine Operation bevor steht. Eventuell sollte die Therapie angepasst werden.

SGLT-2-Hemmer (Gliflozine)

SGLT-2-Hemmer (SGLT= Natrium/Glucose-Co-Transporter-2) sind seit 2012 auf dem Markt. Zu ihnen gehören Dapagliflozin und Empagliflozin (die auch für Herz- und Niereninsuffizienz eingesetzt werden) sowie Canagliflozin.

Ihre Wirkung unterscheidet sich von anderen Antidiabetika, denn sie senken die Zuckerausscheidung über die Nieren. Daher wirken sie Insulin-unabhängig auf den Blutzuckerspiegel. Die Therapie mit SGLT-2-Hemmern führt in der Regel zu einem Gewichtsverlust (rund 2 bis 3 kg) sowie zu einer geringfügigen Abnahme des Blutdrucks. Auch hier zeigen Studien einen positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System.

Nebenwirkungen: Harndrang, Hypotonie (niedriger Blutdruck). Durch den zuckerhaltigen Urin werden Harnwegs- und Genitalinfektionen häufiger, insbesondere bei Frauen. Als seltene Nebenwirkungen kommen schwerwiegende Stoffwechselentgleisungen vor, sog. Ketoazidosen (Übersäuerung des Körpers).

Praxistipp:

  • Achten Sie darauf, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Bei Patienten, die Diuretika einnehmen, kann es zu Kreislauf-Kollaps und Ohnmacht kommen.
  • Gehen Sie regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen, damit Ihre Elektrolytwerte gut eingestellt sind.
  • Informieren Sie Ihren verschreibenden Arzt/ Ärztin, wenn Sie akut krank werden (z.B. hohes Fieber bekommen) oder eine Operation bevor steht. Eventuell sollte die Therapie angepasst werden.

GLP-1-Analoga (Inkretin-Mimetika)

Vertreter dieser Wirkstoffgruppe sind beispielsweise Exenatide, Liraglutid, Semaglutid, Lixisenatid, Albiglutid und Dulaglutid. Die GLP-1-Analoga, auch GLP-1-Rezeptor-Agonisten oder Inkretin-Mimetika (-Analoga) genannt, ahmen die Wirkung des Darmhormons GLP-1 nach. Dadurch regen sie die glukoseabhängige Insulinfreisetzung an und unterdrücken die Zuckerneubildung in der Leber. Sie verlangsamen die Magenentleerung und sorgen dadurch für weniger Appetit. Dies beeinflusst wiederum die Gewichtsabnahme positiv.

Weil GLP-1-Analoga Eiweiße sind, würde die Magensäure sie nach der Einnahme zerstören. Darum werden sie (wie Insulin) unter die Haut gespritzt, je nach Präparat ein- oder zweimal täglich oder einmal pro Woche. Einzige Ausnahme ist hier Semaglutid, dass auch als Tablette zur einmal täglichen Einnahme zur Verfügung steht.

Nebenwirkungen: Zu Beginn der Therapie können Übelkeit und Erbrechen auftreten. Auch können Entzündungen der Gallenblase und/ oder Gallensteine vorkommen.

Sulfonyl-Harnstoffe

Sulfonyl-Harnstoffe (u.a. Glibenclamid, Glimepirid, Gliclazid) werden bereits seit sehr langer Zeit für die Diabetesbehandlung eingesetzt. In der aktuellen Leitlinie werden Sie allerdings wegen fehlender positiver Effekte auf das Herz-Kreislauf-System und ungünstiger Nebenwirkungen erst bei einer Therapieintensivierung in Kombination mit Metformin empfohlen. Sie wirken direkt auf die Betazellen der Bauchspeicheldrüse und regen dort die noch funktionstüchtige Bauchspeicheldrüse zur verstärkten Ausschüttung von Insulin an. Dies sorgt für eine blutzucker-unabhängige Insulinerhöhung (Hyperinsulinämie) mit Gewichtszunahme und der Gefahr einer Unterzuckerung.

Nebenwirkungen: Unterzuckerung, Gewichtszunahme. Schwangere dürfen nicht mit Sulfonyl-Harnstoffen behandelt werden.

Praxistipp:

  • Eine regelmäßige Aufnahme von Kohlenhydraten ist bei der Therapie mit Sulfonyl-Harnstoffen notwendig, um Unterzuckerungen zu vermeiden.

DPP-4-Hemmer (Gliptine)

Gliptine (u.a. Sitagliptin, Vildagliptin und Saxagliptin) hemmen das Enzym Dipeptidyl-Peptidase-4 (DPP-4), das für den Abbau des Darmhormons GLP-1 (Glukagon-ähnliches Peptid-1) verantwortlich ist. GLP-1 wird bei Nahrungsaufnahme freigesetzt und verstärkt die Insulinsekretion. Wird durch einen DPP-4-Hemmer der Abbau des GLP-1 gehemmt, bleibt das Darmhormon länger im Körper verfügbar, was u.a. zu einer stärkeren Insulin-Freisetzung bei den Mahlzeiten führt.

Die Gliptine werden als Tabletten unterstützend zu einer Therapie mit anderen oralen Diabetika (v.a. mit Metformin) angewendet. Auch weil sich weder positive noch negative Effekte im Herz-Kreislauf-Bereich zeigen. Gliptine können bei Unverträglichkeit von Metformin auch als Monotherapie und in Ergänzung zu einer bestehenden, aber unzureichenden Insulintherapie verordnet sein. Vorteil der DPP-4-Hemmer ist, dass es kaum zu Hypoglykämien oder Gewichtszunahmen kommt.

Nebenwirkungen: Allgemein kommen wenige Nebenwirkungen vor. Wenn es dazu kommen sollte, sind es häufig gastrointestinale Nebenwirkungen und gelegentlich eine gesteigerte Infekthäufigkeit. Ein erhöhtes Risiko für Pankreatitis (Entzündung der Bauchspeicheldrüse) sowie das häufigere Auftreten von entzündlichen Darmerkrankungen werden diskutiert.

Weitere Medikamente in der Diabetes-Therapie

In der aktuellen Nationalen VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes, veröffentlich in 2023, werden Alpha-Glukosidasehemmer (z.B. Acarbose, Miglitol), Glinide (z.B. Repaglinid, Nateglinid) und Glitazone (z.B. Pioglitazon) nicht mehr näher betrachtet. Sie werden meistens in individuellen Situationen vom Arzt oder der Ärztin verordnet.

Tirzepatid

Seit September 2022 kann das Medikament unter anderem für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes verschrieben werden. Es imitiert, genau wie GLP-1-Analoga, die Wirkung des Darmhormons GLP-1. Der Unterschied liegt jedoch in der zusätzlichen Wirkung am GIP-Rezeptor (Glukoseabhängiges Insulinotropes Peptid), woran normalerweise das Darmhormon GIP andockt. Imitiert nun aber Tirzepatid die Wirkung der Darmhormone, wird zuckerabhängig Insulin ausgeschüttet und Zucker ins Gewebe aufgenommen. Die damit verbundene verzögerte Magenentleerung sorgt für ein längeres Sättigungsgefühl mit deutlicher Gewichtsabnahme.

Das Medikament wird einmal wöchentlich in das Unterhautfettgewebe am Bauch, Oberschenkel oder Oberarm verabreicht.

Nebenwirkungen: Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Durchfall sind sehr häufig. Auch kann es zu Verstopfung und Bauchschmerzen kommen.

Praxistipp:

  • Achten Sie auf Blutzuckerschwankungen (insbesondere Hypoglykämie), wenn Sie zusätzlich Metformin und/ oder SGLT-2 anwenden.
  • Bemerken Sie einen verminderten Appetit? Das kann eine Nebenwirkung des Medikaments sein.

Wenn Sie nebenbei ebenfalls Insulin spritzen müssen, injizieren Sie Tirzepatid an einer anderen geeigneten Stelle.

Alpha-Glukosidase-Hemmer

Alpha-Glukosidasehemmer (z.B. Acarbose, Miglitol) verzögern die Aufnahme von Kohlenhydraten aus dem Darm ins Blut, indem sie den Abbau von Zuckerketten (Stärke und andere Kohlenhydrate) in einzelne Glucose-Moleküle verhindern. So wird Zucker verzögert aus der Nahrung aufgenommen und die Blutzuckerspitzen nach der Mahlzeit werden abgeflacht. Die Medikamente wirken also Insulin-sparend bzw. entlasten die Bauchspeicheldrüse.

Nebenwirkungen: Vor allem bei Behandlungsbeginn zeigen sich Blähungen, Durchfall und Bauchkrämpfe, seltener Übelkeit. Schwangere dürfen keine Alpha-Glukosidase-Hemmer einnehmen.

Praxistipp:

  • Nehmen Sie die Tablette zu Beginn der Mahlzeit ein.
  • Nebenwirkungen können durch eine zuckerarme Ernährung vermindert werden.

Glinide

Die Glinide, wie z.B. Repaglinid, Nateglinid, haben ähnliche Wirkung wie Sulfonyl-Harnstoffe, d.h. sie regen die Bauchspeicheldrüse zu vermehrter Insulinproduktion an. Im Unterschied zu den Sulfonyl-Harnstoffen tritt die Wirkung der Glinide allerdings schnell ein und hält nur kurz an.

Nebenwirkungen: Hypoglykämien, leichte Gewichtszunahme.

Praxistipp:

  • Nehmen Sie das Medikament ca. 30 Minuten vor einer Mahlzeit ein.

Glitazone (Thiazolidindione)

Glitazone (z.B. Pioglitazon) vermindern die Insulinresistenz (daher Insulin-Sensitizer) und die Glucoseproduktion in der Leber und führen so zu einer Senkung des Blutzuckerspiegels.

Nebenwirkungen: Zu Beginn der Therapie kommen Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen sehr häufig vor. Andere Nebenwirkungen sind Knochenbrüche (vor allem bei Frauen), Gewichtszunahme, Ödembildung und in sehr seltenen Fällen Blasenkrebs.

Alternative Medizin bei Diabetes Typ-2

Zahlreichen alternativen Heilmitteln wird eine positive Wirkung auf die Insulinempfindlichkeit oder auf die Senkung des Blutzuckerspiegels nachgesagt. Die Studienlage dafür ist jedoch eher dürftig, weswegen wir keine dieser alternativen Therapie empfehlen können.

Wenn Sie sich dennoch entschließen, ein alternatives Verfahren für die Diabetes-Therapie einzusetzen, dann sollten Sie unbedingt dase mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin besprechen. So können Sie sicher sein, dass diese keine Wechselwirkungen oder andere negativen Einflüsse auf Ihre Medikamente haben. Setzen Sie auf keinen Fall Medikamente ab, die Ihnen Ihr Arzt oder Ihre Ärztin verordnet haben.

Keine medikamentöse Behandlung allein, ob alternativ oder konventionell, kann den Diabetes heilen. Die verordneten Medikamente sorgen jedoch dafür, mögliche zukünftige Schädigungen durch einen zu hohen Blutzuckerspiegel zu reduzieren. Patienten und Patientinnen mit Diabetes sollten sich daher besonders nach den Empfehlungen ihres Arztes/ ihrer Ärztin richten. Beachten Sie, dass diese Empfehlungen auch Verbesserungsmöglichkeiten in Hinblick auf Life-Style (mehr Bewegung) und/ oder Ernährung sein können.

 

Wichtig:
Hinweis: Um die hohe Qualität unserer Inhalte sicher zu stellen, wurde dieser Text von unserem Team aus Apothekerinnen und Apothekern geprüft. Die bereitgestellten Inhalte dienen lediglich der Information und ersetzen keine medizinische Beratung oder Behandlung durch einen Arzt oder eine Ärztin. Die Texte sind nicht zur eigenständigen Diagnose und Beginn, Änderung oder Beendigung einer Behandlung von Krankheiten gedacht.

 

Artikel veröffentlicht im September 2017, aktualisiert im April 2024.

Referenzen:

(1) http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Evidenzbasierte_Leitlinien/NVL_Therapie_DM2_lang_Aug_13_geae_Nov_2014.pdf

2, https://www.leitlinien.de/themen/diabetes/version-3 (Langversion)

3, https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/NA/Archiv/202402-Mounjaro.pdf

4, https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Tirzepatid_56929

5, https://flexikon.doccheck.com/de/Alpha-Glucosidasehemmer

6, https://www.farmacotherapeutischkompas.nl/bladeren/preparaatteksten/p/pioglitazon_metformine

7, https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/2016/20161118136398/anx_136398_de.pdf (Pioglitazon)

Bildnachweis:

Titelbild: AdobeStock

 

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