Was ist hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) ?
Die hyperbare Sauerstofftherapie (auch hyperbare Oxygenierung, HBO) ist eine Therapieform, bei der ein Patient medizinisch reinen Sauerstoff unter moderat erhöhtem Druck (= hyperbar) einatmet. Unsere Atemluft enthält 21% Sauerstoff. Bei der HBO atmet der Patient in einer Druckkammer mit 1,75 bis 2,5 bar Überdruck 100% Sauerstoff ein, zum Beispiel vier Wochen lang täglich für 1 bis 2 Stunden. Hyperbare Sauerstofftherapien werden in dieser oder ähnlicher Form erfolgreich eingesetzt, um eine Reihe von Erkrankungen zu behandeln, wie zum Beispiel bei Taucherkrankheit, Kohlenmonoxidvergiftungen, diabetischen Wunden, Nekrosen und gegen die Nebenwirkungen der Strahlentherapie. Die Frage ist nun, kann das Einatmen von reinem Sauerstoff unter Druck auch MS-Patienten helfen?
Die Anwendung der hyperbare Sauerstofftherapie bei MS
Die Idee, reinen Sauerstoff zur Behandlung von MS zu verwenden, begann im Jahr 1970. Die rumänischen Ärzte Boschetty und Cernoch behandelten Patienten nach Hirnverletzungen mit hyperbarem, reinem Sauerstoff, um das Nervengewebe mit mehr Sauerstoff zu versorgen. Sauerstoff, so die Hypothese, soll die Nervenzellen vor Schäden schützen und die Reparatur beschädigter Gewebe beschleunigen. Außerdem soll er Immunzellen daran hindern, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und Schäden im Gehirn zu verursachen. Welche genauen Effekte Sauerstoff unter Druck auf molekularer Ebene hat, ist noch nicht bekannt.
Die Ergebnisse der beiden Forscher deuteten darauf hin, dass hyperbarer Sauerstoff auch die Symptome bei ca. 20 bis 30 % der MS-Patienten verbessern kann. Dies führte zu einem breiteren Interesse an der Verwendung von hyperbarem Sauerstoff zur spezifischen Behandlung von MS. Auch heute noch haben einige Menschen mit MS den Eindruck, dass die hyperbare Sauerstofftherapie ihre MS-Symptomatik lindert. Sie berichten von Verbesserungen in der Beweglichkeit, Blasenkontrolle, Schmerzlinderung und im Gangbild. Da die Wirkung jedoch nur vorübergehend ist, ist eine regelmäßige Wiederholung der Behandlung erforderlich.
Studien zur Wirksamkeit
Seit der Entdeckung von Boschetty und Cernoch wurden 12 wissenschaftliche Studien zur Wirkung von HBO auf MS-Symptome durchgeführt. Die Studien beziehen sich auf eine relativ kleine Anzahl von Patienten und haben widersprüchliche Ergebnisse erbracht – von gar keinem Effekt, bis hin zu deutlichen Verbesserungen der Symptome. Eine Übersichtsanalyse aller Studien kam jedoch 2010 zu dem Schluss, dass es möglich sei, dass HBO in einer Untergruppe von Personen mit MS wirksam ist. Jedoch sei es unwahrscheinlich, dass der Nutzen von großer klinischer Bedeutung ist. Die Auswertung aller bis dahin veröffentlichten Studien deutet darauf hin, dass die Verabreichung von hyperbarem Sauerstoff für MS-Patienten keinen klinisch signifikanten Nutzen bringt. Zum derzeitigen Stand der Forschung, so die Autoren, könne man die hyperbare Oxygenierung nicht zur routinemäßigen Behandlung der Multiplen Sklerose empfehlen.
Fazit
Die Zulassungsbehörden und die medizinisch wissenschaftlichen Fachgesellschaften sind der Ansicht, dass die Daten der klinischen Studien nicht stark genug sind, um die hyperbare Sauerstofftherapie bei MS zu unterstützen (bei anderen Erkrankungen schon). Allerdings lassen sich weiterhin viele MS-Patienten mit hyperbarem Sauerstoff behandeln. Wenn die Methode diesen hilft, ist dagegen nichts einzuwenden, denn die HBO hat nur wenige, meist geringfügige Nebenwirkungen.
Quellen:
Bennett M, Heard R. Hyperbaric oxygen therapy for multiple sclerosis. CNS Neurosci Ther. 2010;16:115-124. doi: 10.1111/j.1755-5949.2009.00129.x.
Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen: Zusammenfassender Bericht zur Bewertung der Hyperbaren Sauerstofftherapie (2000)
https://www.g-ba.de/downloads/40-268…/HTA-Hyperbare_Sauerstofftherapie_.pdf
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