Welche Therapie ist die richtige?
Die Multiple Sklerose ist so individuell wie der Mensch, der sie hat. Symptome können sichtbar an die Oberfläche gelangen oder häufig auch unterschwellig, sogar unbemerkt voranschreiten. Dabei hinterlassen sie alle nach und nach bleibende Spuren. Daher ist das Ziel der Therapie dieses Voranschreiten der Erkrankung zu hemmen.
Zwei Strategien – ein Ziel
Bei der Behandlung der MS gibt es zwei unterschiedliche Herangehensweisen: Die Eskalations- und die Induktionsstrategie.1
Bei einer Eskalationsstrategie startet die Behandlung mit dem kleinstmöglichen Eingriff in den Körper. Genügt dies nicht, muss die Behandlung gesteigert, also „eskaliert“ werden. Hierbei wird darauf geachtet, Ihren Körper nicht zu überfordern, damit Sie einen sicheren Einstig in die Behandlung erhalten.
Die Induktionsstrategie hat stattdessen die schnellstmögliche Wirksamkeit der Therapie im Blick: Hocheffektive Wirkstoffe sollen Krankheitsvorgänge aufhalten und eine frühe Schädigung des Nervensystems verhindern.
Welche Therapie ist für mich am besten geeignet?
Die Entscheidung für eine der beiden Therapieformen hängt zum einen vom Verlauf der MS ab – ist sie hochaktiv mit einem raschen Verlauf oder ist sie stabil? Vor allem bei der hochaktiven MS-Form, empfiehlt die Behandlungsleitlinie eine schnell und hochwirksame Induktionsstrategie.2
Daneben spielen aber noch weitere Faktoren eine Rolle, z.B. Sicherheit, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Und natürlich sind auch Ihre eigenen Bedürfnisse wichtig, die im Gespräch mit dem Behandlungsteam berücksichtigt werden sollten.3
Einige Experten und Expertinnen sind der Meinung, die Induktionstherapie sollte nicht nur bei einer hochaktiven MS, sondern generell im frühen Stadium eingesetzt werden3. Denn zu diesem Zeitpunkt sind noch kaum bleibende Schäden durch die Erkrankung entstanden. Das Leben mit der Erkrankung wäre weitgehend ohne Einschränkungen und Behinderung möglich.
Offenes Gespräch kann helfen
Doch wieso wird dann nicht immer die Induktionstherapie eingesetzt? Eine Erklärung ist, dass man immer noch nicht genau einschätzen kann, wie sich die Erkrankung auf die Gesundheit oder den Alltag auswirkt. Verläuft sie lange Zeit ohne Schübe und mild, wäre die Induktionsstrategie mit starken Medikamenten und möglichen Nebenwirkungen die schlechtere Wahl im Vergleich zur Eskalationstherapie, die sich an den tatsächlichen Schüben orientiert.
Gesprächs-Tipps für die Arztpraxis
Die Prognose der MS und wie sich die einzelnen Therapien auswirken können, ist ein wichtiges Thema für das Arzt-Patienten-Gespräch. Doch gerade bei diesem Gespräch kann es hapern. Eine Untersuchung über Arzt-Patienten-Gespräche der letzten 20 Jahre zeigt, dass oft sowohl die Zielsetzung als auch unterschiedliche Begriffe während des Gesprächs von beiden Gesprächsteilnehmenden jeweils unterschiedlich verstanden werden4.
Daher haben wir Ihnen hier einige Tipps für Ihr Gespräch mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin zusammengestellt:
- Fragen Sie nach: Bitten Sie um eine konkrete Erklärung, wenn Sie etwas nicht verstehen. Welche Symptome sind kurz- und langfristig zu erwarten, und um welche Zeiträume geht es im Gespräch?
- Seien Sie offen: Belastet Sie das Prognose-Gespräch? Oder möchten Sie mehr Sachinformation? So kann Ihr Arzt oder Ihre Ärztin auf Sie persönlich eingehen.
- Notieren Sie Ihre Fragen vor dem Termin: So gehen Sie sicher, dass Sie nichts vergessen und können wichtige Dinge gleich zu Beginn besprechen. .
- Über die Ziele klar werden: Machen Sie sich vor dem Gespräch klar, welche Ziele Sie mit der Therapie verbinden. Was beeinträchtigt Ihre Lebensqualität, welche Symptome stören Sie? Diese Information kann helfen, eine für Sie optimale Therapie zu finden.
Auf lange Sicht möchten sowohl Ihr Behandlungsteam als auch Sie selbst Ihre Lebensqualität verbessern oder erhalten. Die moderne Medizin ermöglicht dies bei frühzeitiger Therapie weit besser, als es noch vor Jahren denkbar gewesen wäre. Bei der Therapiewahl ist allerdings eine gute Kommunikation auf Augenhöhe wichtig. Offenes Ansprechen von besonders belastenden Symptomen und Sorgen ermöglicht ein einfühlsames, informatives Gespräch, in dem gemeinsam der persönliche Therapieplan erstellt werden kann.
Zuletzt aktualisiert am 18.09.2023, Artikel vom 03.03.2021
Referenzen
- Kompass Autoimmun 2020;2:147–150. Multiple Sklerose: Neuroinflammation und -degeneration Hand in Hand. DOI: 10.1159/000511562 Veröffentlicht: 2020. Abgerufen: 31.08.2023
- Hemmer B. et al., Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2023, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien. Stand: November 2022, Abgerufen: 31.08.2023
- Deutsche Apothekerzeitung. Multiple Sklerose: „Hit hard and early“. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2022/daz-1-2022/multiple-sklerose-hit-hard-and-early Veröffentlicht: Januar 2022. Abgerufen: 31.08.2023
- Celius, Elisabeth G, Heidi Thompson, Maija Pontaga, Dawn Langdon, Alice Laroni, Stanca Potra, Trishna Bharadia, et al. “Disease Progression in Multiple Sclerosis: A Literature Review Exploring Patient Perspectives.” _Patient Preference and Adherence_ Volume 15 (January 2021): 15–27.https://doi.org/10.2147/PPA.S268829 .
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Titelbild: Adobe Stock
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