Digital vernetzte Arzneiformen: Verbesserte Therapie

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Häufig nehmen Menschen mit chronischen Erkrankungen ihre Medikamente nicht wie ärztlich empfohlen ein. Die Konsequenz: Der gewünschte Behandlungserfolg bleibt aus. Wie digital vernetzte Arzneiformen Abhilfe schaffen können, erfahren Sie hier.
Besonders in der Behandlung von obstruktiven Atemwegserkrankungen sehen Ärztinnen und Ärzte häufig, dass die Inhalationsarzneimittel nicht wie verschrieben eingenommen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft ist es jedoch so, dass der richtige Zeitpunkt für die Inhalation einfach vergessen wird, gleichzeitig unterlaufen dabei auch oft Fehler, die dem betroffenen Menschen eventuell nicht auffallen. Beides beeinträchtigt den Behandlungsfortschritt, da so nicht die benötigte Wirkstoffmenge in den Körper gelangt. Dem entgegen wirken könnten Erinnerungs- und Warnsignale, die zum einen an den richtigen Einnahmezeitpunkt erinnern – und zum anderen signalisieren, wenn fehlerhaft inhaliert wurde.
Erinnerung-Apps wie ein Pill-Reminder bieten zwar bereits eine gute Erinnerungsstütze, wenn die Alarmfunktion für die entsprechenden Einnahmen festgelegt wird. Vernetzte Arzneiformen jedoch geben daneben noch Warnsignale bei ungenügender Anwendung ab.
Was sind digitale Arzneimittelformen?
Eine digital vernetzte Arzneiform ist eine Kombination aus einem Behälter, der den Arzneistoff enthält, und einem digitalen Sendemodul. Entweder bilden diese beiden Komponenten eine Einheit oder sie sind miteinander koppelbar. So ist die marktübliche Arzneiform auch allein anwendbar, also ohne digitale Komponente, und damit ohne die softwarebasierten Vorteile. Das ist dann sinnvoll, wenn beispielsweise die Batterien leer sind oder das elektronische Modul feucht und damit unbrauchbar geworden ist.
Für die Datenübertragung sorgen eine drahtlose Internetverbindung (WiFi), Bluetooth oder Near Field Communication (NFC). Dabei übermitteln das Smartphone oder das Sendemodul die verschlüsselten Daten auf ein Speichersystem, wie beispielsweise die von der Vertriebsfirma der digital vernetzten Arzneiform betriebene Cloud-basierte Plattform. Der Mensch, der diese Arzneiform nutzt, kann bestimmten Personenkreisen Zugriff auf den Speicher erteilen. Somit ist es der Apotheke, den behandelnden Ärzten oder Angehörigen möglich, die Behandlungsdaten als PDF-Bericht oder über ein Web-basiertes Dashboard einzusehen. Wichtig zu wissen ist hier, dass der Datenschutz im Kontext der Digitalisierung gewahrt ist, da der Nutzer zu jedem Zeitpunkt die Datenhoheit hat.
Eingesetzt durch die verschreibende Praxis ergeben sich dann im Hinblick auf eine erfolgreiche Behandlung – und damit für den Betroffenen – folgende Vorteile:
- Die Adhärenz (Therapietreue) lässt sich objektiv überwachen
- Wenn nötig, lässt sich die Adhärenz durch verschiedene Erinnerungssignale steigern
- Die verschiedenen Anwendungsschritte lassen sich durchgängig überwachen
- Korrekturen dieser lassen sich im ärztlichen Gespräch oder in der Apotheke durchführen
- Dies intensiviert die arzneimittelbezogene Kommunikation zwischen betroffenen Personen und dem Fachpersonal in der ärztlichen Praxis und der Apotheke dank der zusätzlich gewonnenen, individualisierten Daten
Digitale Arzneimittelform: Vorteile bei Inhalationsarzneimittel
Die fachärztliche Meinung zum erleichterten Datenaustausch und der damit verbundenen verbesserten Versorgung in Bezug auf die Inhalationsarzneimittel fällt positiv aus. So ist es mittels der digital vernetzten Arzneiformen möglich, die verschiedenen kritischen Schritte während der Inhalation zu überwachen und dem Patienten, wenn nötig, im persönlichen Gespräch Fehler zu signalisieren und ihn dabei zu unterstützen, die Inhalationstechnik zu verbessern. Gleichzeitig lassen sich die Fehler auch dokumentieren. Dieses Wissen kann genutzt werden, um Schulungen zu optimieren.
So registrieren beispielsweise eingebaute batteriebetriebene Minisensoren (MEMS-Sensoren) verschiedene physikalische Parameter. Dazu zählen unter anderem geradlinige Beschleunigung oder Drehbewegung sowie thermische, akustische oder mechanische Signale. Diese überträgt das Sendemodul drahtlos auf eine App im Smartphone oder ein sogenanntes Gateway, ein Speicher- und Sendemodul, in der Wohnung des Patienten.
Damit entsteht ein digitales „therapeutisches Tagebuch“, das sich je nach System manuell mit weiteren Informationen ergänzen lässt. Manche Apps versenden wöchentlich und monatlich per E-Mail Statusberichte über alle in diesen Zeiträumen registrierte App-Daten an den an Asthma erkrankten Menschen. Dieser kann sie in Vorbereitung auf das ärztliche Gespräch ausdrucken oder an die Praxis, die Apotheke oder an eine Vertrauensperson weiterleiten.
Unterstützung bei der Anwendung
Je nachdem, welches Device der Anwender hat, kann er bei unterschiedlichen Handlungsschritten im Rahmen der Inhalation mit Signalen unterstützt werden. Zudem lassen sich aufgetretene und dokumentierte Anwendungsfehler beim nächsten Termin in der Praxis oder Besuch in der Apotheke besprechen. Anwendungsfehler liegen dann vor, wenn
- das Suspensionsdosieraerosol nicht ausreichend geschüttelt wurde,
- die richtige Position eines Pulverinhalators bei der Vorbereitung und bei der Inhalation nicht eingenommen wurde,
- der Inspirationsflow, z. bei Dosieraerosolen oder Pulverinhalatoren, nicht die richtige Intensität und Dauer hat,
- die richtige Reihenfolge der verschiedenen Bedienungsschritte an einem Pulverinhalator, z.B. erst Perforieren einer Inhalationskapsel und anschließendes Inhalieren, nicht eingehalten wird und
- der zeitliche Abstand zwischen dem Gebrauch zweier unterschiedlicher Inhalatoren nicht eingehalten wird.
Digitale vernetzte Arzneimittelform steigert Adhärenz
Knapp 20 Studien aus dem Bereich der Pneumologie im Zeitraum von 2010 und 2021 zeigen, dass sich die Symptome der Erkrankung mittels der digital vernetzten Arzneimittelform verbessern können. Dies zeigt sich an verschiedenen klinischen Parametern, wie etwa
- an der Zahl der symptomfreien Tage,
- am selteneren Gebrauch des Notfalldosieraerosols und
- der geringeren Zahl an Krankenhausaufenthalten.
Von diesen Studien beschäftigte sich die Hälfte mit dem Aspekt der Adhärenz. Wiederum die Hälfte davon konnte zeigen, dass es möglich ist, mit digital vernetzten Arzneimittelformen die Therapieadhärenz deutlich zu verbessern. Wichtig ist, dass die regelmäßige Anwendung und die Inhalationstechnik immer gemeinsam zu betrachten sind. Denn nur indem diese Parameter beobachtet und mit weiteren Untersuchungen wie dem Lungenfunktionstest (Spirometrie), lassen sich das häusliche Selbstmanagement und der Krankheitsverlauf beurteilen. Diese Bewertung ist auch wichtig für eine angepasste und individuelle Betreuung in der Apotheke.
Zusammenfassend können digital vernetzte Arzneimittelformen also nicht nur dazu beitragen, dass Medikamente regelmäßig eingenommen werden. Auch Anwendungsfehler lassen sich so aufdecken und korrigieren.
Veröffentlicht am: 20.09.2023
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Quellen
Deutsche Apothekerzeitung. Digital kontrolliert inhalieren. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2022/daz-4-2022/digital-kontrolliert-inhalieren
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