Pflege – DiPAs für die digitale Versorgung für zu Hause

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Unterstützung für Pflegende und Pflegebedürftige
Die Anzahl Pflegebedürftiger steigt stetig an. Immer mehr Menschen sind auf Fürsorge durch Dritte angewiesen und beziehen Leistungen aus den Pflegeversicherungen. Dabei werden die Bedürfnisse zunehmend komplexer. Digitale Lösungen sollen allen Beteiligten im Pflegeprozess helfen und versprechen Erleichterung bei der Versorgung zu Hause. Lesen Sie hier, was das für die Pflege bedeutet.
Über vier Millionen Menschen befinden sich derzeit in Deutschland mit einem Pflegegrad in häuslicher Pflege und sind primär auf die Unterstützung durch Angehörige oder Fachkräfte des ambulanten Pflegedienstes angewiesen. Je nach Pflegegrad ist die Versorgung aber auch in den eigenen vier Wänden mitunter schwierig und bringt für alle Beteiligten besondere Herausforderungen mit sich.
Neben den bereits eingeführten digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) sollen nun spezielle digitale Pflegeanwendungen, kurz DiPA, die Versorgung von Menschen, die sich in häuslicher Pflege befinden, unterstützen und erleichtern. Mit der Pflegereform und dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) ist im Juni 2021 eine Regelung in Kraft getreten, die Pflegebedürftigen mit einem Pflegegrad zwischen eins und fünf und ihren Angehörigen einen Anspruch auf digitale Pflegeanwendungen im Wert von bis zu 50 Euro zusichert. DiPAs können nur erstattet werden, wenn sie vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geprüft und gelistet wurden. Die ersten geprüften DiPAs werden im Laufe des Jahres 2024 erwartet.
Was sind digitale Pflegeanwendungen?
Digitale Pflegeanwendungen sind Produkte, zu denen Pflege-Apps und browserbasierte Internet- beziehungsweise Webanwendungen gehören, die mit Handy oder Tablet genutzt werden können. Es zählen außerdem Programme (Software) dazu, die auf einem klassischen Desktop-PC zum Einsatz kommen. Die DiPAs richten sich sowohl an Pflegebedürftige als auch an pflegende Personen und sollen deren Alltag erleichtern.
Welchen Nutzen haben DiPA?
Ziel der digitalen Anwendungen ist es, pflegebedürftigen Menschen mehr Sicherheit und Selbstständigkeit zurückzugeben, indem sie bestehenden Beeinträchtigungen entgegenwirken. Sie sollen außerdem dazu beitragen, dass sich die Pflegebedürftigkeit der Betroffenen nicht weiter verschlimmert. Diese speziellen digitalen Helfer können zudem die Kommunikation mit pflegenden Angehörigen oder dem Fachpersonal des jeweiligen Pflegedienstes verbessern.

Anders als eine DiGA muss eine DiPA laut DVPMG kein Medizinprodukt sein. Voraussetzung für die Einstufung eines digitalen Produktes als DiPA ist unter anderem, dass ein klarer pflegerischer Nutzen besteht. Das bedeutet, dass sich beispielsweise
- die Bewältigung des pflegerischen Alltags (Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen),
- die Selbstversorgung,
- die Mobilität,
- die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten,
- die Gestaltung des alltäglichen Lebens und der sozialen Kontakte
- sowie die Haushaltsführung der zu pflegenden Person nachweislich verbessern.

Pflegebedürftige können die digitalen Anwendungen dabei entweder selbstständig und allein nutzen oder zusammen mit pflegenden Angehörigen sowie Fachkräften. Es besteht ebenso die Möglichkeit, dass Pflegende und Fachkräfte des Pflegedienstes die Anwendungen allein nutzen. Sie sollen auf diese Weise den Pflegeprozess einfacher gestalten und organisieren können. Indem sich beispielsweise Behandlungen und Fortschritte in der Therapie dokumentieren und jederzeit abrufen lassen, sind bei Bedarf schneller Handlungsanweisungen zur Anpassung der Therapie ableitbar.
Pflege-Apps und Anwendungen
Welche Anwendungen genau als DiPA angeboten werden, ist derzeit noch nicht bekannt. Eine App, die als DiPA, ist EMMA®. Dahinter verbirgt sich ein sprachgesteuertes Assistenzsystem, das sich mit weiteren Smart Home-Produkten kombinieren lässt und unter anderem einen Bewegungsmelder und ein Notrufsystem enthält. Mit EMMA® lassen sich zum Beispiel Medikamenten- und Trinkerinnerungen einstellen, was vor allem die Therapie einer Erkrankung unterstützt und den Heilungsprozess fördert. Sie kann aber auch an andere Termine wie Untersuchungen erinnern oder die Kommunikation mit sorgenden Angehörigen und dem Pflegedienst erleichtern. Neben medizinisch relevanten Aspekten trägt sie zur selbstständigen Bewältigung des alltäglichen Lebens bei. So lassen sich mit ihr in Kombination mit geeigneter Technik verschiedene Funktionen im Haushalt steuern, zum Beispiel das Licht ein- und ausschalten oder die Tür öffnen. Menschen mit eingeschränkter Mobilität beispielsweise sind so in der Organisation ihres Alltags unabhängiger von Dritten.
Unterstützung beim Erhalt oder der Verbesserung körperlicher Funktionen könnte die Lindera SturzApp bieten. Sie ist bereits als CE-zertifiziertes Medizinprodukt und DiGA ausgeschrieben, liefert mit ihren Funktionen jedoch auch Vorteile für die Pflege von älteren und körperlich beeinträchtigten Menschen. Sie beurteilt mittels einer Videoanalyse einerseits das bestehende Sturzrisiko und gibt zudem Empfehlungen, wie Stürze vermieden und die Mobilität erhalten werden können. Dabei können nicht nur Pflegebedürftige selbst, sondern auch Pflegefachpersonal oder sorgende Angehörige diese App nutzen.
Bei der Förderung kognitiver Fähigkeiten stehen verschiedene Spiele-Apps oder Konsolen zur Diskussion. Einige davon sind bereits in der stationären Pflege im Einsatz und müssten noch an den Bedarf der häuslichen Pflege angepasst werden.
Unabhängig vom Aspekt der Pflegebedürftigkeit gibt es schon jetzt ein umfangreiches Angebot an digitalen Anwendungen, die eine soziale Teilhabe ermöglichen, ohne das häusliche Umfeld verlassen zu müssen. Für Pflegebedürftige spielt dieser Aspekt eine wichtige Rolle. Gerade Menschen mit einem höheren Pflegegrad haben oft nicht die Möglichkeit, persönlich an Treffen außerhalb der eignen vier Wände teilzunehmen. Welche digitalen Anwendungen in diesem Bereich als DiPA infrage kommen, steht noch zur Diskussion.
Ein weiteres Format, das von vielen Pflegekassen schon jetzt gefördert wird und für die meisten Versicherten kostenlos ist, sind Online-Pflegekurse. Sie bieten insbesondere Personen Hilfestellung, die Angehörige pflegen. In den Kursen erhalten sie zum Beispiel Informationen über Pflegetechniken, Checklisten und weiterführendes Fachwissen.
Wer hat Anspruch auf digitale Pflegeanwendungen?
Jede pflegebedürftige Person mit einem Pflegegrad von eins bis fünf hat Anspruch auf digitale Pflegeanwendungen. Dazu ist bei der sozialen Pflegekasse ein Antrag auf Erstattung von Aufwendungen für die DiPA zu stellen. Gemäß § 39a des Elften Sozialgesetzbuchs (SGB XI) haben Pflegebedürftige zudem Anspruch auf ergänzende Unterstützungsleistungen. Neben den Kosten für die digitale Pflegeanwendung selbst können sie sich demzufolge zum Beispiel die Kosten für die Einrichtung einer entsprechenden Software und der zugehörigen Technik erstatten lassen. Dies gilt, wenn die betroffene Person bei der Installation und Nutzung Hilfe in Anspruch nehmen muss, weil sie dazu nicht selbstständig in der Lage ist.
Wenn ein Bedarf bestätigt ist und die Pflegekasse einer Erstattung zustimmt, erhalten Betroffene bis zu insgesamt 50 Euro monatlich für die Finanzierung einer digitalen Pflegeanwendung. Kosten, die diesen monatlichen Zuschuss übersteigen, sind hingegen von den Versicherten selbst zu tragen.
Die Bedingungen und Voraussetzungen für eine Kostenerstattung sind in der Digitalen Pflegeanwendungen-Verordnung (DiPAV) erfasst und geregelt.
Fazit
Digitale Pflegeanwendungen versprechen große Erleichterungen im Bereich der Pflege – sowohl für Bedürftige als auch für Pflegende. Im Laufe des Jahres 2024 werden die ersten Zulassungen für DiPAs erwartet, die derzeit noch einer strengen Prüfung durch das BfArM unterliegen. Einige mögliche DiPAs sind in Form von DiGAs bereits erhältlich, etwa die SturzApp Lindera. Auch Online-Pflegekurse stehen bereits für Angehörige zur Verfügung. Informieren lohnt sich!
Veröffentlicht am: 27.02.2024
Letzte Aktualisierung: 18.10.2024
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Quellen
[1] bfarm.de. DiPA – Digitale Pflegeanwendungen. https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Aufgaben/DiGA-und-DiPA/DiPA/_node.html
[2] bundesgesundheitsministerium.de. Digitale Pflegeanwendungen und ergänzende Unterstützungsleistungen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/online-ratgeber-pflege/leistungen-der-pflegeversicherung/leistungen-im-ueberblick/digitale-pflegeanwendungen.html
[3] bundesgesundheitsministerium.de. Digitale–Versorgung–und–Pflege–Modernisierungs–Gesetz (DVPMG). https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/guv-19-lp/dvpmg.html
[4] bundesgesundheitsministerium.de. Pflegeversicherung, Zahlen und Fakten. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/pflegeversicherung-zahlen-und-fakten.html
[5] Bundesgesetzblatt: Verordnung zur Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Pflegeanwendungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Digitale Pflegeanwendungen-Verordnung – DiPAV). https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=%2F%2F%2A%5B%40attr_id=%27bgbl122s1568.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl122s1568.pdf%27%5D__1666363245873
[6] Verbraucherzentrale. Pflegende Angehörige: Unterstützung durch digitale Angebote. https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/alles-fuer-pflegende-angehoerige/pflegende-angehoerige-unterstuetzung-durch-digitale-angebote-43193
[7] vdek.com. Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) – Aus Erfahrung lernen. https://www.vdek.com/magazin/ausgaben/2022-03/digitale-pflegeanwendungen-dipa-erwartungen.html
[8] Innovationsplattform IÖB. Emma – die flexible Lebensassistenz. https://www.ioeb-innovationsplattform.at/marktplatz-innovation/detail/emma-die-flexible-lebensassistenz/
[9] Lindera. Digitale Pflegeanwendungen starten jetzt! https://lindera.de/pflege-und-pflegeberuf/digitale-pflegeanwendungen-dipa-guide/
[10] Pflege-Dschungel. Digitale Pflegeanwendungen – die DiPAs kommen. https://pflege-dschungel.de/dipa-digitale-pflegeanwendungen/