Senioren und die Herausforderungen der digitalen E-Health-Technologien

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E-Health Lösungen hilfreich für Senioren
Laut dem Statistischen Bundesamt gaben im Zeitraum 2021/22 8,5 Millionen Menschen über 60 Jahre an, noch nie das Internet oder digitale Gesundheitsdienste genutzt zu haben. Woran liegt das, und was lässt sich tun, damit auch Senioren von der Digitalisierung und den Vorteilen von E-Health profitieren können?
Der digitale Wandel ist weltweit ein aktuelles Thema und hält immer mehr Einzug in die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche, darunter die Gesundheitsversorgung. Doch in Deutschland trifft er auf eine Gesellschaft, bei der die Digitalkompetenz der alternden Bevölkerung ab einem Alter von etwa 55 Jahren deutlich abnimmt.
Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, beispielsweise interessieren sich viele Menschen im Seniorenalter nicht für Technologien wie Smartphones oder Tabletts. Auch die verschiedenen Aktivitäten, die sich mit diesen Geräten durchführen lassen wie Onlinebanking oder Einkaufen erledigen die meisten lieber analog – auch wenn sich mit der Nutzung digitaler Dienste Zeit und Mühe sparen ließe. Dennoch sehen im Jahr 2023 lediglich 24 Prozent der älteren Menschen ab Mitte 70 in der Digitalisierung Vorteile für sich.
Diese könnte für viele Ältere jedoch die Chance bieten, länger die vertraute Umgebung des eigenen Zuhauses oder der Umgebung zu genießen. Dazu zählen Technologien wie das Internet der Dinge (engl.: Internet of Things, IoT). Auch verschiedene E-Health-Lösungen können dafür sorgen, dass Senioren unabhängiger von anderen leben und können. Doch was hält Ältere davon ab, sich digitale Technologien zunutze zu machen?
Digitalisierung, Senioren und Herausforderungen
Es gibt verschiedene Ursachen dafür, dass ältere Menschen digitale Technologien und E-Health-Lösungen seltener nutzen als jüngere. Oft genug haben sie keinen Internetanschluss oder leben in einer Gegend, in der kein flächendeckender Zugang zu digitalen Infrastrukturen wie Breitband-Internet und 5-G-Netze vorhanden ist.
Zudem lassen im Alter viele körperliche Fähigkeiten nach. So kann es sein, dass die Hände zittern oder die Gelenke an den Händen und Fingern es nicht erlauben, schmale Gegenstände wie ein Smartphone zu greifen. Dadurch ist der Umgang mit Mobiltelefonen oder Tabletts in der Regel erschwert – ein Grund für viele Senioren, sich gegen eine Anschaffung solcher Geräte zu wehren. Auch ist das Interesse am Neuen oft nicht mehr so groß, vor allem, wenn Technologien viele englische Begriffe nutzen oder sie sich so schnell weiterentwickeln, dass die Senioren mit den Neuerungen nicht mithalten können. Dadurch verringert sich die digitale Kompetenz der älteren Bevölkerung im Vergleich zu der jüngeren so stark, dass sie nicht ausreichend fit für den Umgang mit den Technologien sind.
Doch das ist nicht überall so. Das zeigt der Vergleich zwischen deutschen Senioren im Alter zwischen 65–74 Jahren und jenen in anderen europäischen Ländern. Diese hängen die Deutschen, was die digitalen Grundlagenkenntnisse angeht, deutlich ab. So liegt die digitale Grundlagenkompetenz in
- Deutschland bei 28 Prozent,
- Niederlande bei 61 Prozent und
- in der Schweiz sowie Norwegen bei etwa 55 Prozent.
Technologie und ihr Beitrag zu einem unabhängigen Seniorenleben
Die europäischen Vergleichs- und Nutzungszahlen von Älteren zeigen, dass bei den deutschen Senioren noch Nachholbedarf besteht, was den Umgang mit digitalen Medien angeht. Um dies zu erreichen und dafür zu sorgen, dass auch ältere Menschen von neuen Technologien profitieren und somit länger unabhängig leben können, gibt es verschiedene Lösungsansätze. Einen zeigt das kanadische Digital Literacy Exchange Program (DLEP). In diesem Rahmen erhalten Senioren angepasste Schulungen und Beratungen, um ihre digitalen Kompetenzen zu stärken und sich im Umgang mit digitalen Medien wohler zu fühlen. Kanada konnte auf diese Weise die Nutzungszahlen steigern.
Etwas ähnliches existiert in Europa: Die im Jahr 2021 ins Leben gerufene deutsche Initiative DigitalPakt Alter vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) bringen Älteren kostenfrei die Grundlagen digitaler Kompetenzen näher. Dies geschieht in öffentlich geförderten Erfahrungsorten, wo Senioren kostenfrei Smartphones, Tabletts und Co austesten können. Dabei liegt der Fokus darauf, die Senioren nach ihrem Bedarf bei individuellen Fragen zu beraten und zu unterstützen, beispielsweise bei Kauf oder Einrichtung von Smartphones oder Tablets. Diese Geräte müssten altersgerecht und an die körperlichen Bedürfnisse angepasst sein. So sollte etwa das Gehäuse nicht zu schmal gebaut sein und die Software es ermöglichen, die Symbole größer darzustellen und die Kontrastschärfe einzustellen.
Auch das Internet der Dinge (engl.: Internet of Things; IoT) könnte kostengünstig dazu beitragen, dass Senioren länger unabhängig in ihrem Zuhause leben können. Das zeigt das im Jahr 2020 beendete Pilotprogram ACTIVAGE, das IoT für altersgerechte Wohnumgebungen testete. Wie in einem Smarthouse waren die Testwohnungen mit Geräten ausgestattet, welche die Zeit für die Bett- und Badnutzung, den Wasserverbrauch oder die Bewegung der Person in der Wohnung und den Türkontakt registrierten und Nachrichten versendeten. Auf Basis einer speziellen Plattform, die diese Daten verarbeitete, entwickelten Forscher ein Assistenzsystem, das sich dazu eignet, über die verschiedenen miteinander vernetzten Geräte die Situation in der Wohnung zu erfassen, und in der Lage ist, im Notfall Angehörige oder Pflegepersonal zu alarmieren.
Eine weitere und sinnvolle IoT-Lösung für Senioren sind mit Sensoren ausgestattete Böden. Registrieren diese ungewöhnliche Gangbewegungen oder einen Sturz, schlagen sie Alarm und sorgen so dafür, dass Hilfe kommt. Oft lassen sich diese Böden mit Beleuchtungssystemen verbinden, die den Weg in die Richtung beleuchten, in welche sich die Person bewegt.
Welche E-Health-Lösungen gibt es für Senioren?
Wie IoT bieten auch verschiedene E-Health-Lösungen Vorteile und eine sichere medizinische Versorgung für Senioren.
Die elektronische Patientenakte (ePA)
Ein Beispiel dafür ist die ePA als App für das Smartphone. Sobald die Senioren für diese registriert sind, bietet sie den Behandlern alle nötigen Informationen zur Krankengeschichte und den Medikamenten, welche die Senioren regelmäßig einnehmen. Für die Registrierung könnte der Senior oder die Seniorin bei entsprechender Personallage in der Hausarztpraxis Unterstützung und weitere Informationen zum Umgang erhalten, zum Beispiel das individuelle Freischalten oder Sperren verschiedener Informationen für bestimmte Behandler. Ist das Smartphone jedoch keine Option, lässt sich die ePA per Desktop-Client auf dem PC verwalten.
Das E-Rezept
Auch das E-Rezept bietet Senioren einige Vorteile. Nutzen sie ein Smartphone mit der entsprechenden E-Rezept-App, können sich mobile Senioren unnötige Wege zur Apotheke sparen. Melden sie sich beispielsweise über die ePA-App in der E-Rezept-App an, können sie den Code für ihre Medikamentenverordnung abrufen und an die Wunschapotheke verschicken. Hat diese das Medikament nicht vorrätig, können auf dem gleichen Weg zwei weitere Apotheken angefragt werden. Auf diese Weise lassen sich unnötige Wege zu verschiedenen Apotheken vermeiden und gleich die richtige ansteuern, die das Medikament vorrätig hat. Zudem besteht die Option, über die App eine Medikamentenlieferung anzufragen, sofern die Apotheke diesen Service bietet.
Für Menschen, die kein Smartphone besitzen, kann die Praxis das E-Rezept analog ausstellen, also auf Papier ausdrucken. Dieses wird dann in der Apotheke gescannt, alternativ können die Senioren es per Post an eine Online-Apotheke schicken. Es ist nun auch möglich, das E-Rezept über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) in der Apotheke einzulösen, um so den verschiedenen Bedürfnissen Älterer gerecht zu werden.
Die Videosprechstunde
Auch Videosprechstunden bieten sich für Ältere an. Oft lassen sich auf diese Weise körperliche Beschwerden bereits klären und bei Bedarf ein Folgetermin in der Praxis ausmachen. Gerade für weniger mobile Senioren stellt dies eine Erleichterung dar, da sich so zumindest ein Weg zur Praxis und die Wartezeit dort einsparen lassen. Über die Online-Terminvergabe sehen die Senioren nicht nur die verfügbaren Termine, sie sparen durch dieses Terminvergabeverfahren auch die Zeit in der Warteschleife.
Fazit
Die digitale Affinität älterer Deutscher liegt weit hinter der anderer europäischer Senioren zurück. Dies hat unterschiedliche Gründe. Entsprechende bedarfsorientierte Schulungen könnten die digitale Grundlagenkompetenz jedoch stärken. Sind mehr Senioren in der Lage, digitale E-Health-Lösungen zu nutzen, lässt sich die medizinische Versorgung der älteren Bevölkerung verbessern. Von den Lösungen könnten sich besonders die Videosprechstunde, das E-Rezept und die ePA als nützlich erweisen. Auch wenn die Digitalisierung viele Vorteile bietet, ist es wichtig, das analoge Angebot für die Senioren beizubehalten, für die das digitale nicht nutzbar ist.
Veröffentlicht am: 29.05.2024
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Quellen
[1] Bundesministerium für Gesundheit. Digitalisierung im Gesundheitswesen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/digitalisierung/digitalisierung-im-gesundheitswesen.html
[2] aerztblatt.de. Ältere und Digitalisierung: Noch viele Hürden. https://www.aerzteblatt.de/archiv/230583/Aeltere-und-Digitalisierung-Noch-viele-Huerden
[3] Pressemeldung des Fraunhofer Instituts für Graphische Datenverarbeitung (IGD) vom 19. November 2019. IoT-basierte Assistenzsysteme unterstützen ältere Menschen. https://www.igd.fraunhofer.de/de/media-center/presse/iot-basierte-assistenzsysteme-unterstuetzen-aeltere-menschen.html
[4] DigitalPakt Alter. https://www.digitalpakt-alter.de/
[5] SoftEQ. IoT für Senioren: wie digitale Lösungen die Lebensqualität im Alter erhöhen können. https://www.softeq.com/de/blog/iot-fuer-senioren-wie-digitale-loesungen-die-lebensqualitaet-im-alter-erhoehen-koennen