Digitale Hilfe bei Essstörungen

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Zusammenfassung
Das Thema Ernährung ist inzwischen allgegenwärtig und sorgt dabei nicht nur für angenehme Gedanken. Zahlreiche Menschen erkranken jährlich an einer Essstörung wie Bulimie oder Binge-Eating. Für sie ist es eine besondere Herausforderung, mit Ernährung umzugehen. Nicht zuletzt sind sie auf eine medizinische und therapeutische Versorgung angewiesen, die durch digitale Anwendungen und Online-Kurse unterstützt werden kann.
Informationen über und Anleitungen für richtiges und gesundes Essverhalten lassen sich in der heutigen Zeit auf vielen Kanälen finden. Vor allem die sozialen Medien sind reichhaltig bestückt mit Tipps zu gesunden Lebensmitteln und Rezepten. Wie empfehlenswert und geeignet diese für den Einzelnen tatsächlich sind, darüber lässt sich streiten. Es wundert daher nicht, dass so manche Person den Überblick verliert oder ein für sich persönlich falsches Essverhalten entwickelt. Da hilft auch die immer stärker zunehmende Anzahl an Ernährungs-Apps nicht unbedingt weiter.
Essstörungen: Welche gibt es?
Essstörungen sind ernsthafte psychosomatische Erkrankungen, bei denen das gestörte Essverhalten auf eine psychische Störung zurückgeht und sich in körperlichen Beschwerden äußert. Es gibt verschiedene Formen von Essstörungen. Zu den häufigsten gehören Magersucht (Anorexie), Ess-Brech-Sucht (Bulimie), Essattacken (Binge-Eating) sowie Übergewicht (Adipositas). Sie alle sind durch eine unkontrollierte Nahrungsaufnahme gekennzeichnet. Diese ist zum Teil übermäßig oder wie bei der Magersucht stark reduziert. Betroffen sind häufig Mädchen oder junge Frauen, aber auch Jungen und Männer können eine Essstörung entwickeln.
Online-Therapie und Apps bei Essstörungen
In den vergangenen Jahren hat die Digitalisierung auch in der Versorgung unterschiedlichster Erkrankungen Einzug gehalten und den Bereich E-Health immer weiter anwachsen lassen. Einige App-Hersteller erweitern in diesem Rahmen ihr Angebot und entwickeln zum Teil gemeinsam mit Ärzten und Therapeuten medizinische Apps oder digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die in der Therapie von Krankheiten eingesetzt werden können. Auch für die Behandlung von Essstörungen sind inzwischen einige Angebote in Form von Online-Kursen über spezielle digitale Plattformen oder Apps verfügbar.
Von Selfapy gibt es zwei als DiGA zertifizierte Online-Kurse für den Bereich Ernährung, und zwar für Bulimie und die Binge-Eating-Störung. Diese Kurse können sich Betroffene auf Rezept verschreiben lassen. Sie vermitteln verhaltenstherapeutische Methoden und Techniken, unterstützen bei deren Anwendung und liefern umfassende Informationen zur Erkrankung in Form von Videos, Bildern und Texten. Sie gelten als Hilfsmittel für die Therapie vor allem in weniger kritischen Phasen und fördern das Selbstmanagement.
Neben diesen DiGAs bieten verschiedene psychotherapeutische Praxen, Psychologen oder Psychiater Online-Sprechstunden (Videosprechstunden) oder Online-Kurse begleitend zur Therapie von Essstörungen an. Sie bilden wie auch die DiGAs keine alleinige Therapieform, sondern sind in das eigentliche Behandlungsprogramm integriert. Innerhalb dieser Online-Sitzungen beraten und leiten Ärzte und erfahrene Therapeuten zu den verschiedenen Therapiemaßnahmen an, wodurch eine Online-Therapie vergleichbar mit Präsenz-Sitzungen ist.
Welche Therapeuten oder Praxen entsprechende Angebote machen, können Betroffene entweder direkt in der Praxis erfahren, oder sie informieren sich auf deren Homepage oder bei der jeweiligen Krankenkasse.
Begleitend und für die Zeit nach einer akuten Behandlung bieten sich zudem verschiedene internetbasierte Selbsthilfeprogramme an. Im Gegensatz zu den Online-Kursen geht es hierbei um den Austausch mit anderen Betroffenen. Zusätzlich können Patienten in solchen Programmen hilfreiche Übungen und den Umgang mit der Erkrankung erlernen, und alles von zu Hause aus. Das bedeutet, dass die Teilnahme an einem solchen Programm ortsunabhängig ist.
Das Angebot an Apps für Essstörungen ist bisher sehr gering. Es finden sich zwar zahlreiche Ernährungs-Apps, die Informationen, Anleitungen und Tipps für eine gesunde Ernährung bieten, keine davon geht jedoch intensiv und individuell auf Essstörungen ein. Es ist daher fraglich, wie gut sie bei einer solchen Erkrankung geeignet sind.
Eine App, die explizit bei Essstörungen genutzt werden kann, bietet das mobile Programm Recovery Record. Es handelt sich um eine interaktive Behandlungsplattform, die Patienten und Ärzte beziehungsweise Therapeuten gemeinsam nutzen können. Die Entwicklung der Anwendung basiert auf verhaltenstherapeutischer Forschung und kam in den vergangenen Jahren vermehrt in der klinischen Betreuung zum Einsatz. Aber auch nach einem Krankenhausaufenthalt kann sie weiter genutzt werden. In der App können Nutzer beispielsweise ihr Essverhalten protokollieren, Essenspläne erstellen und anregende Bilder finden. Die Anwendung erinnert an wichtige Termine und ermöglicht es, die Daten mit dem Behandlungsteam zu teilen. So lassen sich Fortschritte, aber auch Rückschläge direkt beim nächsten Besuch in der Praxis besprechen.
Herkömmliche Diäten nicht ratsam
Eine Essstörung basiert in den meisten Fällen auf einer psychischen Erkrankung. Das bedeutet, dass gewöhnliche Diäten, wie sie in vielen Ratgebern oder über Apps beispielsweise zur Gewichtsreduktion empfohlen werden, zur Behandlung der Erkrankung nicht ausreichen oder schlicht ungeeignet sind. Fachleute raten Betroffenen daher davon ab, selbstständig mithilfe einer Diät das Essverhalten zu steuern.
Fazit
Eine Essstörung ist eine Erkrankung, die einer fortlaufenden und möglichst direkten und individuellen psychologischen Betreuung bedarf. Apps für Essstörungen können hier ein hilfreicher Begleiter sein, ersetzen jedoch nicht den Arzt oder erfahrenen Therapeuten. Ebenso können Ernährungs-Apps das Bewusstsein für gesunde Ernährung fördern, sind aber für die Therapie nicht geeignet. Videosprechstunden und Online-Kurse sind hingegen nützliche Optionen und bieten im Vergleich mehr Vorteile. So können Betroffene sich zum Beispiel direkt mit dem betreuenden Team austauschen und die Therapie kontinuierlich anwenden, auch wenn ein Besuch in der Praxis mal nicht möglich ist. Auch sparen sich Patienten mitunter lange Wartezeiten auf einen Präsenz-Sitzungen. Die Apps bieten sich daher besonders für den Einstieg in eine Therapie an.
Veröffentlicht am: 16.08.2024
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Quellen
[1] Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Selfapys Online-Kurs bei Binge-Eating-Störung. https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/01830
[2] Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Selfapys Online-Kurs bei Bulimia Nervosa. https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis/01834
[3] Selfapy. Schnelle Hilfe zur Selbsthilfe bei Bulimie. https://www.selfapy.com/kurse/bulimie
[4] Selfapy. Binge-Eating verstehen, annehmen und reduzieren. https://www.selfapy.com/kurse/binge-eating
[5] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Was sind Essstörungen? https://www.bzga-essstoerungen.de/
[6] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Wie können Apps die Therapie unterstützen? https://www.bzga-essstoerungen.de/hilfe-finden/weitere-hilfestellungen/selbsthilfe/?L=0
[7] ANAD e.V. Versorgungszentrum Essstörungen. Was sind Essstörungen? https://www.anad.de/essstoerungen/
[8] Schmitt, A. Essstörungen: Tagebuch, Kalender und Motivationscoach in einer App. Dtsch Arztebl 2017; 114(45): A-2111 / B-1775
[9] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). E-Health: Onlineangebote zur Beratung und Behandlung von Essstörungen. Stand: Februar 2022. https://www.bzga-essstoerungen.de/fileadmin/user_upload/bzga-essstoerungen/downloads/220208_BZgA_Themenblatt-ES_Online-Angebote_UPDATE_2022_V2.pdf