Online Tierarzt: Unterstützung für Tierarztpraxen?

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Zusammenfassung
Wie in der Human- so auch in der Tiermedizin: Auf Telemedizinanbieter wirkte die Corona-Pandemie wie ein Katalysator. Auch die Zahl der Online-Tierarzt-Praxen hat seitdem zugenommen. Doch wie sinnvoll lässt sich die Telemedizin bei Tieren anwenden? Und ist die Telemedizin in diesem Bereich gekommen, um zu bleiben?
Während andere Wirtschaftszweige schwächelten, erfuhren Anbieter von Praxissoftware, Veterinärpraxen mit telemedizinischem Angebot oder tierärztliche Online-Praxen eine Hochkonjunktur. Das lag zum einen daran, dass aufgrund der restriktiven Maßnahmen wie dem Kontaktverbot die Zahl der Haustiere zunahm – eine Reaktion vieler Menschen, um der Einsamkeit zu begegnen. Neben der dadurch höheren Belastung der Praxen führte das Kontaktverbot, das das Ansteckungsrisiko senken sollte, dazu, dass die Tierarztpraxen vermehrt entsprechende Software einführten. So begründet eine Studie zur Marktlage von Telemedizin in der Tiermedizin die zunehmende Nutzung. Diese geht auch davon aus, dass die Telemedizin bis zum Jahr 2026 eine jährliche Wachstumsrate von über 19 Prozent zeigen wird.
Telemedizin: Auch künftig ein sinnvolles Angebot in der Tierarztpraxis?

Die Studie weist damit darauf hin, dass die digitalen Angebote Tierarztpraxen auch über die Zeiten der Pandemie hinaus viele Vorteile bieten können. Beispielsweise ermöglicht die Videosprechstunde das für Tierärztinnen und Tierärzte ungewohnte Homeoffice und erleichtert es, Beruf und Familie miteinander zu vereinen. Zudem könnten künftig schwangere oder stillende Menschen von einem Berufsverbot verschont bleiben, das Tierarztpraxen und -kliniken häufig zu deren und des Ungeborenen Schutz aussprechen.
Weitere Vorteile der Videosprechstunde:
- Entlastung der Tierarztpraxis, indem die Tierärztin oder der Tierarzt online Folgeverordnungen verschreibt oder eine Ernährungsberatung durchführt
- Weite oder für Mensch und Tier stressige Anfahrten lassen sich verhindern
- Bessere Verhaltensbeurteilung des Tiers in seiner vertrauten Umgebung
- Angebot einer zweiten Meinung
- Schneller Austausch mit Berufskolleginnen und Berufskollegen

Allerdings ist für das Homeoffice eine gewisse Berufserfahrung Voraussetzung. Besonders für Menschen, deren Einstieg in diesen Beruf noch frisch ist, sind neben dem Abhören und -tasten etwa spezifische Gerüche wichtig, um eine Diagnose stellen zu können. Eine erfahrene Tierärztin oder ein erfahrener Tierarzt wiederum sind in der Lage, online eine Triage durchzuführen, um die eigenen Praxisräume zu entlasten. Anders als eine telemedizinische Beratung, ist eine Diagnose über diesen Weg allerdings nicht erlaubt. Jede Verdachtsdiagnose muss immer durch einen Besuch in der Praxis abgesichert werden.
Weitere digitale Angebote wie die Online-Terminvergabe entlasten die Beschäftigten in der Praxis. Oft sind dadurch kurzfristigere Termine möglich, da sich die Online-Sprechstunde leichter im Praxisalltag dazwischenschieben lässt – manchmal auch außerhalb der Praxisöffnungszeiten. Über spezielle Praxissoftware kann die Tierärztin und der Tierarzt online rasch Befunde mit spezialisierten Fachleuten teilen und sich Rat einholen.
Jedoch gibt es auch verschiedene Nachteile bei der Telemedizin:
- Per Videosprechstunde sind Diagnosen und Erstverordnungen nicht erlaubt
- Weiterführende Untersuchungen sind nicht möglich
- Nebenbefunde lassen sich nicht erheben
- Eine gute Internet- oder Mobilfunkverbindung sind Voraussetzung
- Eingeschränkte Reichweite: Anwendende Personen müssen mit der Technik umgehen können und wollen
- Kein direkter Tierarzt-Patient-Kontakt, die Kommunikation läuft nur über die Halterin oder den Halter und wird durch deren persönliche Wahrnehmung unter Umständen verfälscht. Dies bietet Raum für Fehlinterpretationen oder Missverständnisse.
Online Tierarzt: Konkurrenz zur Tierarztpraxis?
Die gesteigerte Erwartungshaltung und der allgemein wachsende Wunsch nach höherer Flexibilität im Alltag der Menschen mit Haustieren machen auch vor Tierärztinnen und Tierärzten nicht Halt. Daher hat in Deutschland während der Coronapandemie auch die Zahl an Online-Tierarzt-Angeboten zugenommen. Bieten die niedergelassenen Praxen keine Online-Sprechstunde oder andere telemedizinischen Leistungen an, könnte es zu leichten Einbrüchen in den Umsätzen kommen – auch weil viele Online Tierärzte einen 24-Stunden-Service anbieten.
Allerdings gilt für die virtuellen Praxen das Gleiche wie für die niedergelassenen, die Telemedizin anbieten: Am Ende muss das Tier für eine Diagnose, Erstverschreibung von Medikamenten, Zahnreinigung, bildgebende Verfahren und alle anderen Diagnostik- und Behandlungsmethoden an eine niedergelassene Praxis überwiesen werden. Virtuelle Praxen könnten allerdings die niedergelassenen partnerschaftlich ergänzen, zum Beispiel um den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen die Online-Triage abzunehmen.
Fazit
Die Telemedizin in der Tiermedizin bietet Menschen mit Haustier sowie den Beschäftigten einer Tierarztpraxis viele organisatorische Vorteile wie die Online-Terminvergabe. Im Rahmen von Videosprechstunden lassen sich Notfälle identifizieren, Ernährungsberatungen durchführen und Folgeverordnungen ausstellen sowie gleichzeitig überfüllte Wartezimmer vermeiden. Dies war nicht nur während der Coronapandemie sinnvoll – auch für die Zeit danach lassen sich das Arbeiten und der Aufenthalt auf diese Weise angenehmer gestalten. Die Diagnose, Erstverordnung und zahlreiche Behandlungsverfahren bleiben jedoch weiterhin der Praxis vorbehalten.
Veröffentlicht am: 31.07.2024
Quellen
[1] Bund angestellter Tierärzte. Der Einzug der Telemedizin in die Tiermedizin. https://bundangestelltertieraerzte.de/der-einzug-der-telemedizin-in-die-tiermedizin/
[2] Apothekenumschau. Virtuelle Hilfe für kranke Haustiere: Markt für Telemedizin wächst. https://www.apotheken-umschau.de/e-health/virtuelle-hilfe-fuer-kranke-haustiere-markt-fuer-telemedizin-waechst-840541.html
[3] Research and Markets. Global Veterinary Telehealth Market (2021 to 2026) - Growth, Trends, COVID-19 Impact and Forecasts. https://www.globenewswire.com/news-release/2021/08/09/2277011/28124/en/Global-Veterinary-Telehealth-Market-2021-to-2026-Growth-Trends-COVID-19-Impact-and-Forecasts.html