Einsatz von Telemedizin bei Long-Covid

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Wie die digitale Kommunikation bei Langzeitfolgen von Corona helfen können
Long COVID ist eine komplexe Erkrankung, die etwa jede zehnte mit COVID-19 infizierte Person trifft. Allein in Deutschland sind einige Millionen Menschen davon betroffen. Eine ganzheitliche, regelmäßige Betreuung der Erkrankten stellt eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Genau hier kann die Telemedizin helfen.
Viele Menschen sind durch die Corona-Pandemie auf eine medizinische Langzeitversorgung angewiesen. Dadurch, dass Long COVID sehr viele Bereiche des Körpers betreffen kann, ist eine Kombination aus hausärztlicher Behandlung sowie einer Versorgung durch verschiedene medizinische Fachbereiche notwendig. Diese vielen Termine wahrzunehmen ist nicht nur für die Erkrankten mit großer Anstrengung und viel Organisationsaufwand verbunden, sondern bedeutet zudem eine starke Überlastung für ärztliche Praxen und Kliniken.
Telemedizin ermöglicht eine medizinische Untersuchung bei räumlicher Trennung der Beteiligten. Ärztliche Fachkräfte und Erkrankte können beispielsweise mithilfe von Videosprechstunden, herkömmlichen Telefonaten oder über verschiedene Messenger- Dienste miteinander kommunizieren. So ist eine ärztliche Versorgung von zu Hause oder einem anderen Ort möglich. Gerade in ländlichen Gebieten und für Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt mobil sind, kann die Telemedizin daher eine große Hilfe sein.
Hinzu kommen Daten von medizinischen Geräten, die bestimmte Parameter wie die Herzfrequenz oder den Blutdruck messen und an die entsprechenden Praxen übermitteln. Sie helfen Fachleuten, die Symptome genauer zu deuten und eine Behandlungsentscheidung zu treffen. Zudem ist es mittels Telemedizin möglich, Laborbefunde oder Ergebnisse bildgebender Verfahren (z. B. Röntgen- oder MRT-Bilder) digital an Spezialistinnen und Spezialisten zu senden. Je nach genutzter Plattform übermitteln Ärztinnen und Ärzte nach der digitalen Untersuchung E-Rezepte direkt an die zuvor mit dem Patienten oder der Patientin vereinbarte Apotheke. Dort können die Medikamente dann abgeholt oder der Person direkt nach Hause geliefert werden. Bei anderen ärztlichen Online-Diensten wird den erkrankten Personen das Rezept per QR-Code zur Verfügung gestellt. Diesen können sie entweder mit einer Apotheken-App, etwa der Shop-Apotheken-App, einscannen oder in der Apotheke vor Ort vorzeigen.
Was heißt Long Covid?
Bei Long COVID handelt es sich um einen Oberbegriff für alle Langzeitfolgen, die nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (auch: COVID-19) über vier Wochen hinaus bestehen. Solche langanhaltenden Beschwerden sind bereits von anderen Virus-Erkrankungen bekannt. Sie können bei einem leichten oder schweren Verlauf der Infektion gleichermaßen auftreten. Bei einigen Menschen dauern sie nach einer durchgemachten, akuten Infektion weiter an, bei anderen klingen sie erst ab und tauchen Wochen oder Monate später wieder auf. Zudem können Symptome von Vorerkrankungen verstärkt auftreten, was ebenfalls zu den Long-COVID-Merkmalen zählt.
Von einem Post-COVID-Syndrom reden Fachleute, wenn die Beschwerden nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus mindestens drei Monate lang anhalten oder nach diesem Zeitraum neu auftreten und nicht durch andere Erkrankungen bedingt sind.
Zu den häufigsten Symptomen von Long COVID zählen:
- Müdigkeit
- Fatigue-Syndrom (krankhafte Schwäche/starke Erschöpfung)
- Kurzatmigkeit
- Schmerzen oder ein Druckgefühl in der Brust
- Gedächtnis- oder Konzentrationsprobleme (auch als "Brain Fog" bezeichnet)
- Schlafstörungen
- Gelenk- oder Muskelschmerzen
- Langanhaltender Husten
Außerdem kann es zum Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn, Kopfschmerzen, unregelmäßigem Herzschlag und Depressionen oder Angststörungen kommen. Zudem tritt bei einigen Menschen als Folge der Coronainfektion die Myalgische Enzephalomyelitis/das Chronische Fatigue-Syndrom oder kurz ME/CFS auf. Dabei handelt es sich um eine schwere Erkrankung, welche das Nerven- und Immunsystem betrifft und für die Betroffenen eine starke körperliche Behinderung bedeutet. Das Fatigue-Syndrom ist nur eines der Symptome von ME/CFS, ist aber bei dieser Erkrankung chronisch und nicht mehr durch Schlaf oder Erholung zu mildern.
Wie kann Telemedizin bei Long-Covid helfen?

Die Telemedizin kann auf mehreren Ebenen helfen, die Versorgung von Long-COVID-Betroffenen zu verbessern. Einige Beispiele hierfür sind:
- Regelmäßige Gesundheits-Überwachung: Mit Telemedizin können Erkrankte ihre Werte wie Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung von zu Hause oder unterwegs an die medizinische Praxis übermitteln. Ärztliche Fachkräfte können diese Daten auswerten und bei Bedarf rechtzeitig eingreifen.
- Virtuelle Beratungen: Für Long-COVID-Betroffene, die oft Müdigkeit und Atemnot erleben, kann es eine große Belastung sein, regelmäßig in die Praxis zu kommen. Telemedizin ermöglicht eine Untersuchung, bei denen Erkrankte mit ihren Behandelnden per Videoanruf sprechen. Eine beschwerliche Anreise und lange Wartezeiten in überfüllten Räumen lassen sich so vermeiden.
- Psychische Gesundheit: Viele Menschen mit Long COVID leiden zusätzlich unter psychischen Problemen wie Angst und Depressionen. Mittels Telemedizin haben sie mitunter einen einfacheren Zugang zu psychologischer Beratung und Therapie.

- Bildung: Telemedizin kann verwendet werden, um Betroffene und ihre Familien über Long COVID zu informieren. Dies kann beispielsweise über Online-Seminare oder digitale Informationsmaterialien erfolgen.
- Zusammenarbeit zwischen Fachleuten: Telemedizin hilft Gesundheitsdienstleistenden, leichter zusammenzuarbeiten und Informationen zu teilen. Dies spielt vor allem bei Long COVID eine große Rolle, da es sich um eine komplexe Erkrankung handelt, die eine Behandlung durch Fachleute verschiedener medizinischer Gebiete erfordert.
- Forschung: Durch die Verwendung von Telemedizin zur Betreuung von Menschen mit Long COVID können Forschende wertvolle Daten sammeln, die zur Verbesserung der Behandlung und zum Verständnis der Krankheit beitragen.
Die Telemedizin kann nicht alle Aspekte der gesundheitlichen Versorgung ersetzen. Eingehende körperliche Untersuchungen erfordern beispielsweise immer noch persönliche Termine. Außerdem haben nicht alle Personen Zugang zu den erforderlichen Technologien oder fühlen sich damit wohl, was Barrieren für den Zugang zur Telemedizin schaffen kann.
Das 2022 neu gegründete Institut LongCovid in Rostock bietet neben einer Sprechstunde vor Ort auch Videosprechstunden an, um die Versorgung der vielen Betroffenen zu unterstützen. Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) baut eine virtuelle Rehaklinik zur Behandlung von Post-COVID-Erkrankten auf. Es tut sich also einiges im Bereich der telemedizinischen Betreuung, die in Zukunft wahrscheinlich eine immer größere Rolle einnehmen wird.
Hilfe durch Apps
Die neue Gesundheits-App Fimo soll Menschen, die zum Beispiel aufgrund von Long COVID an ausgeprägter Erschöpfung (Fatigue-Syndrom) leiden, helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen. Die Betroffenen notieren in einem Tagebuch ihre Symptome, Medikamente, Aktivitäten sowie die Ernährungsgewohnheiten. Über wissenschaftliche Tests und Fragebögen ermittelt das Programm täglich den Krankheitszustand. Durch die Verknüpfung mit sogenannten Wearables, also beispielsweise Smartwatches oder Fitnessarmbändern, können weitere Daten wie die Schlafqualität oder die Herzfrequenz an die App gesendet werden. Die Datenreports können App-Nutzende vor dem Untersuchungstermin an die ärztliche Praxis übermitteln. Zudem hilft das Programm den Anwendenden, ihre Erkrankung besser zu verstehen und bietet verschiedene alltagstaugliche Übungen, zum Beispiel um die Konzentrationsfähigkeit zu trainieren. Viele Krankenkassen übernehmen für einige Monate die Kosten für die App.
Fazit
Auch wenn die Anwendung von Telemedizin durch die technischen Voraussetzungen nicht ohne weiteres für jeden umsetzbar ist, so bringt sie doch einige Vorteile mit sich. Anstrengende Wege zu fachärztlichen Praxen sowie lange Wartezeiten können vermieden werden, und Ärztinnen und Ärzte haben bessere Vernetzungsmöglichkeiten. Eine effizientere Behandlung der an Long COVID Erkrankten wird durch die regelmäßige Übermittlung von Daten, zum Beispiel mithilfe von Apps wie Fimo, möglich. Auch bei der Hilfe zur Selbsthilfe können Anwendende Nutzen aus dem Einsatz digitaler Helfer ziehen. Trotz aller Vorteile ist ein persönlicher Termin in der Praxis durch die Telemedizin nicht komplett ersetzbar.
Veröffentlicht am: 08.10.2024
Aktualisiert: 21.11.2024
Quellen
[1] Pharmazeutische Zeitung (PZ): Long Covid. Mit der App »Fimo« gegen Fatigue. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/mit-der-app-fimo-gegen-fatigue-133646/
[2] Presseportal: Long Covid: Mehr Lebensqualität durch Fimo-Health-App. https://www.presseportal.de/pm/53836/5475750
[3] fimo Health: Dein Alltagsbegleiter bei Long COVID. https://www.fimohealth.com/longcovid
[4] Davis, H.E. et al.: Long COVID: major findings, mechanisms, and recommendations. Nat Rev Microbiol 21, 133–146 (2023). https://www.nature.com/articles/s41579-022-00846-2
[5] EHEALTHCOM: Neues Institut Long Covid setzt auf Telemedizin. https://e-health-com.de/details-news/neues-institut-long-covid-setzt-auf-telemedizin/
[6] Lungenärzte im Netz: Verbesserte Therapie von Long-COVID durch Expertennetzwerk und Telemedizin. https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/verbesserte-therapie-von-long-COVID-durch-expertennetzwerk-und-telemedizin
[7] mednic: Telemedizin: Neues Institut Long Covid hilft bundesweit. https://mednic.de/telemedizin-neues-institut-long-covid-hilft-bundesweit/19267
[8] Medizinische Hochschule Hannover: Post-COVID: MHH baut virtuelle Rehaklinik auf. https://www.mhh.de/presse-news/post-covid-mhh-baut-virtuelle-rehaklinik-auf
[9] Bundesministerium für Gesundheit: Telemedizin. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/t/telemedizin.html
[10] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Long COVID: Langzeitfolgen von COVID-19. https://www.infektionsschutz.de/coronavirus/basisinformationen/long-covid-langzeitfolgen-von-covid-19/
[11] Die Bundesregierung: Was Sie zu Long COVID wissen sollten. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/long-covid-2134624
[12] Robert-Koch-Institut (RKI): Informationsportal des RKI zu Long COVID. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Long-COVID/Inhalt-gesamt.html
[13] AWMF: S1-Leitlinie Long/ Post-COVID – Living Guideline, Stand 05/2024. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/020-027
[14] Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e. V.: Fatigue. https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/fatigue/
[15] Deutsche Gesellschaft für ME/CFS e. V.: Was ist ME/CFS. https://www.mecfs.de/was-ist-me-cfs/
[16] DKE - VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.: Medizinische Wearables sind in Vorbereitung und werden die Gesundheit von Patienten verbessern. https://www.dke.de/de/arbeitsfelder/health/wearables-medizintechnik