Telemedizin – welche Anwendungen können Praxen entlasten?

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Vorteile der Telemedizin für Praxisteam und Erkrankte
Telemedizinische Anwendungen wie die Videosprechstunde überbrücken räumliche Distanzen und ermöglichen so eine medizinische Behandlung. Dies entlastet niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in der Stadt wie auf dem Land, die durch Fachkräftemangel einer größer werdenden Zahl an zu behandelnden Personen gegenüberstehen. Jedoch fehlt auf dem Land häufig der flächendeckende Anschluss an Breitbandinternet. Hier könnte ein Modell aus Frankreich Abhilfe schaffen.
Die Coronapandemie Anfang 2020 hat in jedem Bereich der Gesellschaft für Veränderungen gesorgt. So ist mobiles Arbeiten von zu Hause aus oder einem beliebigen anderen Ort der Welt für viele bereits eine Selbstverständlichkeit. Persönliche Treffen weichen oft zugunsten virtueller – auch wenn dem direkten Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen keine geringere Bedeutung beigemessen wird.
Diese Veränderung lässt sich auch im Gesundheitssektor beobachten. So gewann die Telemedizin eine größere Bedeutung, weil sie das Behandlungsgespräch per Videosprechstunde oder Telefonat ohne das Risiko einer Ansteckung möglich machte. Daneben zeigten sich weitere Vorteile dieser Technologie und warum ihr Einsatz auch in post-pandemischen Zeiten sinnvoll ist.
Telemedizin – Entlastung der Praxen?
Der Fachkräftemangel macht vor keiner Berufssparte Halt. Auch in der Medizin fehlt es an Nachwuchskräften – unter den Ärzten und Ärztinnen genauso wie im pflegerischen Bereich. Gründe dafür gibt es einige, dazu zählen die mitunter schwer zumutbaren Arbeitsbedingungen in Kliniken ebenso wie der demografische Wandel oder das mangelnde Interesse an einem medizinischen oder pflegerischen Beruf. Die Folge davon ist, dass sich die medizinische Beratung und Behandlungsoptionen in ihrer örtlichen Verfügbarkeit verknappen.
Beide Aspekte lassen sich nicht so schnell beheben. Dennoch könnten Kliniken oder Praxen eine schnelle Entlastung spüren, wenn bestimmte Technologien verstärkt ihren Weg in die Versorgung finden würden. Dazu gehört die Video-Sprechstunde. Diese hat verschiedene Vorteile:
- Entlastung des Praxisteams. Das Praxisteam hat mehr Zeit für andere wichtige Dinge, beispielsweise dadurch, dass die Behandlungszimmer seltener wieder hergerichtet werden müssen.
- Effizientere Arbeitsabläufe für Ärztinnen und Ärzte. Bei Online-Sprechstunden fällt der wiederholte Wechsel von Behandlungsräumen weg. Die so eingesparte Zeit lässt sich in die Behandlungsgespräche investieren. Auch die Anzahl der Haus- oder Pflegeheimbesuche verringert sich und damit lange Fahrtwege, da sich viele Beschwerden online abklären lassen. Wenn eine zusätzliche körperliche Untersuchung nötig ist, lässt sich ein Besuch in der ärztlichen Praxis allerdings nicht umgehen.
- Schutz des Praxisteams. In ärztlichen Untersuchungsräumen ist das Infektionsrisiko für das Personal generell erhöht – auch ohne eine Pandemie. Die vermehrte Nutzung der Videosprechstunde schützt alle Mitarbeitenden vor Infektionen und kann so die Zahl der krankheitsbedingten Ausfälle reduzieren.
- Angenehmere Atmosphäre. Überfüllte Wartezimmer sind für erkrankte Personen und für das Praxisteam unangenehm. Videosprechstunden sorgen für mehr freie Plätze, sodass Menschen, die Telemedizin nicht nutzen können oder körperlich untersucht werden müssen, sitzen können. Die Ansteckung der Wartenden untereinander wird außerdem so reduziert.
Alle genannten Punkte tragen am Ende dazu bei, dass sich ärztliche Fachkräfte und das weitere Praxisteam mehr Zeit für die Menschen nehmen können, die tatsächlich in Bezug auf Diagnose und Behandlung von einem Praxisbesuch profitieren.
Digital vernetzte Arzneimittel und E-Health-Apps
Neben der Videosprechstunde eignen sich auch digitale Anwendungen wie E-Health-Apps dazu, die medizinische Versorgung effizienter und für alle Menschen besser zugänglich zu machen. Dazu zählen beispielsweise Gerade für eine Untersuchung durch Fachkräfte der Dermatologie bestehen oft lange Wartezeiten. Fällt dann eine Hautveränderung auf, die beunruhigt, kann die Hautkrebs-App dabei unterstützen, schneller eine erste Einschätzung zu erhalten. Dafür wird mit dem Smartphone ein Foto von der Hautstelle gemacht und hochgeladen. Die Apps können in der Regel kostenfrei im jeweiligen AppStore heruntergeladen werden. Die Beurteilung erfolgt dann durch ein erfahrendes dermatologisches Team. Hier fallen Kosten für die Einschätzung und anschließende Behandlung an. Im Zweifel wird eine Empfehlung ausgesprochen, damit eine dermatologische Praxis aufgesucht werden kann. Dort werden dann weitere Behandlungsschritte eingeleitet. Die Kosten für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), die offiziell ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen wurden, übernimmt häufig die Krankenkasse.
Auch digital vernetzte Arzneimittelformen können ärztlichen Fachkräften Zeit einsparen und den Therapieerfolg verbessern. Dazu zählen zum Beispiel Inhalatoren, bei denen der Wirkstoffbehälter um ein Sendemodul ergänzt ist. Häufig kommt es bei der Anwendung von Inhalatoren zu Anwendungsfehlern, die dazu führen, dass Menschen mit Lungenerkrankungen wie Asthma oder COPD nicht die gewünschte Wirkung des Arzneimittels spüren. Das Sendemodul übermittelt der verschreibenden Fachkraft unter anderem die Informationen darüber, ob die Person mit der Lungenerkrankung den Inhalator wie verordnet anwendet hat (Therapieadhärenz), sich an die Therapie hält und richtig inhaliert. Ergeben die in der Praxis ausgewerteten Daten, dass die Anwendung optimiert werden sollte, um dadurch die Behandlung zu verbessern, lassen sich die Korrekturen in einem persönlichen Gespräch klären.
Ländliche Versorgung – welche Voraussetzung benötigt die Telemedizin?
Die Telemedizin könnte besonders in der ländlichen Umgebung die medizinische Versorgung verbessern. Auch hier könnten Videosprechstunden wegen wegfallender Hausbesuche über größere Entfernungen Wege und damit Zeit und Kosten sparen und das Praxisteam entlasten. Jedoch ist die Anbindung an flächendeckendes und schnelles Internet auf dem Land nicht immer gegeben und dadurch eine Videosprechstunde oftmals ein mühseliges Unterfangen oder gar nicht erst möglich. Damit ist der Weg in die Praxis oder Notaufnahme meist die schnellste Lösung, solange der flächendeckende Zugang zu schnellem Internet fehlt.
Telemedizin aus der Apotheke? Frankreich machts vor!
In Frankreich ist es – vor allem im ländlichen Raum – seit einigen Jahren in Apotheken möglich, sich per Videoanruf mit einem Arzt oder einer Ärztin in Verbindung zu setzen. Dies findet in Telemedizinkabinen statt, die sich in dünn besiedelten Gegenden Frankreichs befinden und eine Antwort auf den auch hier spürbaren ärztlichen Fachkräftemangel darstellen.
Die Telemedizinkabinen sind schall- und blickdicht verschließbar und können ohne einen Termin aufgesucht werden. Ein Mitglied des Apothekenteams weist in die Nutzung ein und die zu untersuchende Person kann über ihre Versichertenkarte die Sitzung freischalten. Die auf einem Bildschirm erscheinende ärztliche Fachkraft leitet die erkrankte Person durch die einzelnen Untersuchungsschritte, welche die Person an sich selbst durchführen kann. Dafür sind die Kabinen mit folgenden digitalen Geräten ausgestattet:
- Einem Fieberthermometer zur Messung der Körpertemperatur
- Einem Dermatoskop zur Untersuchung der Haut
- Einem Stethoskop, um die Herztöne abzuhören
- Einem Otoskop, um Ohren und Trommelfell zu untersuchen
- Einem Oximeter zur Bestimmung der Sauerstoffsättigung im Blut
Alle gemessenen Werte werden direkt an die Ärztin oder den Arzt übermittelt und anhand dessen wird entschieden, ob ein Besuch in der ärztlichen Praxis nötig ist. Die Kosten für diese digitale Konsultation sind durch eine Basisversicherung, die viele Menschen in Frankreich haben, abgedeckt. Zusätzlich erhalten die französischen Apotheken finanzielle Anreize, um diese Kabinen in ihren Räumen aufzustellen.
Telemedizinkabinen auch in Deutschland vorgesehen – aber anders
Die Telemedizinkabine könnte auch in Deutschland Behandlungslücken schließen. Allerdings sind für ein ähnliches Modell hier noch einige Fragen ungeklärt. Der Referentenentwurf für das Digitalgesetz sieht ein anderes Vorgehen als in Frankreich vor: So sollen Apotheken künftig assistierte Telemedizin anbieten können. Das bedeutet, dass nicht die Versicherten selbst während einer Videosprechstunde die Untersuchungen durchführen, sondern die Mitarbeitenden der Apotheke.
Das Finanzierungsmodell für Telemedizinkabinen in Deutschland ist noch unklar. Auch wird davon ausgegangen, dass eine Komplettlösung, wie sie in Frankreich angeboten wird, möglicherweise weniger angenommen würde. Allerdings sind die Überlegungen zur Einführung in einem sehr frühen Stadium und noch viele Fragen zur Umsetzung offen.
Fazit
Die Telemedizin kann Praxen in urbanen und ländlichen Gegenden entlasten und gleichzeitig die medizinische Versorgung verbessern. Für Letzteres ist allerdings der Anschluss an ein flächendeckendes Internet eine wichtige Voraussetzung. Telemedizinkabinen in Apotheken könnten auch für Deutschland eine Lösung sein. Allerdings sind hier noch viele Fragen zur Finanzierung und Realisierung zu klären.
Veröffentlicht am: 12.07.2024
Letzte Aktualisierung: 18.10.2024
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Quellen
[1] DAZ.online. Telemedizin-Kabinen bald auch in deutschen Apotheken? https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/07/05/telemedizin-kabinen-bald-auch-in-deutschen-apotheken
[2] DAZ.online. Digital kontrolliert inhalieren verbessert Adhärenz und Applikationstechnik. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/02/01/digital-kontrolliert-inhalieren-verbessert-adhaerenz-und-applikationstechnik-nbsp
[3] Medica-Portal, Interview: Digitale Gesundheitsversorgung: Der Point-of-Care verschiebt sich. https://www.medica.de/de/digital-health/Digitale_Gesundheitsversorgung_Der_Point-of-Care_verschiebt_sich
[4] Medica-Portal. Telemedizin: sichere Diagnostik in der Pandemie – und darüber hinaus. https://www.medica.de/de/digital-health/Telemedizin_sichere_Diagnostik_in_der_Pandemie_%E2%80%93_und_dar%C3%BCber_hinaus
[5] Weisskonzept. Die Videosprechstunde – Möglichkeiten & Chancen einfach erklärt. https://www.weisskonzept.com/moeglichkeiten-chancen-der-videosprechstunde/
[6] Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Videosprechstunde: telemedizinisch gestützte Betreuung von Patienten. https://www.kbv.de/html/videosprechstunde.php