Wie sicher ist das E-Rezept?

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Expertenmeinung zur Sicherheit des E-Rezeptes
Seit Januar 2024 sind Ärztinnen und Ärzte nun dazu verpflichtet, verordnete Medikamente in Form eines elektronischen Rezeptes (E-Rezept) auszustellen.
Dieser Neuerung stehen manche Menschen – medizinische Fachkräfte sowie Patientinnen und Patienten – skeptisch gegenüber. Doch ist diese Einstellung gerechtfertigt?
In diesem Artikel erläutert Ihnen unser Experte Martin Bumm, Director E-Health bei Shop Apotheke, weshalb die Skepsis unbegründet ist.
Wenn in Bezug auf das E-Rezept über die Sicherheit im Datenschutz gesprochen wird, ist es wichtig, drei entscheidende Aspekte zu beachten, die maßgeblich zur Sicherheit beitragen: die sichere Infrastruktur (Telematikinfrastruktur), die eigentliche technische Absicherung des Datensatzes zu diesem E-Rezept in der entsprechenden Infrastruktur sowie die Menschen, die das Rezept ausstellen und einlösen.
Mit Blick auf die ersten beiden Punkte ist das E-Rezept nach dem aktuellen Stand der Technik sehr sicher konzipiert. So sicher, dass einigen Kritikern zufolge die bequeme Nutzung sogar etwas eingeschränkt ist.
E-Rezept verhindert „Menschliches Versagen“ als Sicherheitslücke
Ich sehe die eigentliche Sicherheitslücke im bisherigen Umgang mit dem auf Papier ausgestellten Rezepten. Denn verglichen mit dem künftigen Umgang mit dem E-Rezept, entspricht das aktuelle Papierrezept bei der Ausstellung häufig nicht den eigentlich gültigen Sicherheitsanforderungen – besonders betrifft dies die Unterschrift des Arztes auf den Rezepten. Um den Arbeitsablauf in Arztpraxen und Kliniken nicht zu stören, stellen zeichnungsberechtigte Ärztinnen und Ärzte zum Anfang der Woche oder am Anfang des Tages häufig Blanko-Rezepte aus, welche dann nach und nach um die jeweiligen Verordnungen ergänzt werden. Dies stellt eine Sicherheitslücke dar, – denn die Ärztin oder der Arzt bekommt das Rezept, nachdem es vollständig ausgefüllt ist, oft nicht mehr zu Gesicht. Dies ist nicht im Sinne des Erfinders und kann im Falle eines Missbrauchs rechtliche Folgen für die Unterschreibenden nach sich ziehen.
Rezepte – ob analog ausgestellt oder digital – tragen vertrauliche Informationen. Kritisierende des elektronischen Formats haben vor allem die Frage des Datenschutzes im Blick. Dieser ist aber gerade bei ausgedruckten Rezepten nicht immer gegeben. Die relevante Sicherheitslücke besteht darin, dass bei Verlust des herkömmlichen Papierrezeptes die vertraulichen Informationen für Dritte problemlos lesbar sind.
Mehr Sicherheit mit dem E-Rezept
Meiner Meinung nach löst das E-Rezept diese Probleme. Was die Sicherheit für alle Beteiligten beim Ausstellen des Rezeptes angeht, schließen hier schlaue elektronische Signaturprozesse für die Ärzteschaft und eine personalisierte E-Rezept-App für die Versicherten bisherige Sicherheitslücken.
Auch hinsichtlich des Datenschutzes macht das E-Rezept im Vergleich zum alten Muster 16, dem klassischen rosafarbenen Rezept, das Rennen. Denn der Datensatz zum E-Rezept mit allen Informationen zu den verordneten Medikamenten liegt sicher gespeichert auf den Servern der Telematikinfrastruktur. Die Informationen hier sind nur durch die Versicherten selbst und durch Angehörige eines Heilberufes mittels eines QR-Codes abrufbar. Selbst wenn der QR-Code, den die Patientin oder der Patient als Ausdruck ausgehändigt bekommt, verloren geht, sind weder die Informationen zum E-Rezept verschwunden, noch lassen sich alle Informationen dem Ausdruck entnehmen. Zudem lässt sich das E-Rezept bei Verlust sofort sperren.
IT-Infrastruktur bietet E-Rezept Sicherheit
Die Telematikinfrastruktur, die in sich unterschiedliche abgesicherte Bereiche hat, wurde speziell für das Gesundheitswesen entworfen. Hier gespeicherte Datensätze zu E-Rezepten lassen sich nur über diese Struktur austauschen. Das bedeutet, dass die Computerprogramme, mit welchen das E-Rezept in der ärztlichen Praxis erstellt und in der Apotheke abgerufen wird, jeweils mit der Telematikinfrastruktur verbunden sind. Bei Erstellung und Einlösung ist das E-Rezept daher meiner Meinung nach optimal abgesichert.
Doch verschiedene Interessensverbände sehen dies anders. So stellen sie den Speicherort des E-Rezeptes in Frage und diskutieren seit Gründung der gematik, dass es sicherer sei, das E-Rezept dezentral zu speichern als auf dem Server der Telematikinfrastruktur. Diese ewig währende Diskussion bauschte die Datenhaltung auf einem Server für den Laien als das ultimative Böse auf und ließ darauf schließen, dass eine Veränderung hin zur sicheren Datenhaltung hier nicht gewünscht ist.
Doch gibt es auch andere Meinungsvertretende in dieser Datenschutzdiskussion. So fordern einige die Verschlüsselung des E-Rezeptes nicht nur auf dem Transportweg, sondern auch auf dem zentralen Server der ohnehin sicheren Telematikinfrastruktur. Die Idee dahinter: Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist sicherer. Jedoch vermute ich hier einen anderen Beweggrund für diese Forderung: Die Interessenvertreter dieser Strömung befürchten, dass sich die E-Rezepte auf dem Server einfacher auswerten lassen. Das würde mehr Transparenz darüber schaffen, wie häufig welche Medikamente verschrieben werden. Diese Bedenken sind theoretisch berechtigt. Jedoch birgt eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung die großen Nachteile, dass die freie Apothekenwahl eingeschränkt wird und die Daten nicht anonymisiert für die Forschung genutzt werden können. Daher halte ich es für zielführender, die mögliche aber unerlaubte Auswertung der E-Rezept-Daten nicht technisch zu verhindern, sondern rechtlich zu regeln bzw. zu untersagen. Dies ändert meiner Meinung nach nichts am hohen Sicherheitsniveau.
Ein weiteres Beispiel für eine falsch gemeinte Datenschutz- bzw. Sicherheitsdiskussion sehe ich in der Forderung von manchen Standesvertretern, dass Patientinnen und Patienten ihren E-Rezept-Code nicht selbst an Apps von Dritt-Anbietern weiterleiten können sollen. Dadurch werden sie als unmündige Personen behandelt, denen man nicht die freie Apothekenwahl zugestehen will. Meine Forderung ist hier die E-Rezept App der gematik zu nutzen, um die freie Apothekenwahl und damit die Mündigkeit der Patientinnen und Patienten zu wahren. Denn letztlich sollen sie selbst entscheiden, in welcher Apotheke sie das E-Rezept einlösen möchten – vor Ort oder online.
Letztlich ist aber das Verhalten der Anwendenden entscheidend für die Sicherheit von E-Rezepten. Denn so können durch Verlust oder Diebstahl des Papierausdrucks des E-Rezeptes ähnliche Fehler entstehen wie beim alten Papierrezept. Dies kann gerade am Anfang passieren, da viele Versicherte nicht die personalisierte gematik App nutzen werden, sondern sich wahrscheinlich häufiger das E-Rezept ausdrucken lassen. Auch beim digitalen Versand können durch Unwissenheit Fehler bei der Handhabung des E-Rezeptes vorkommen, wobei dies bisher sehr hypothetische Szenarien sind. Meine Vermutung ist vielmehr, dass die technisch offeneren Menschen sehr schnell die App der gematik nutzen, um in den Genuss der vollen E-Rezept-Vorteile zu gelangen und den maximalen Schutz für die E-Rezept-Anwendungen zu genießen.
Es gilt daher die Forderung, durch eine großangelegte Aufklärungskampagne den Versicherten die Nutzung der gematik App zu erklären und sie vom Download und Freischaltung der App zu überzeugen.
Mein Fazit
Das E-Rezept entspricht technisch den höchsten Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz. Dabei ist es so praktikabel, dass ich mir sicher bin, dass Patientinnen und Patienten es als spürbare Verbesserung ansehen werden. Damit dies die breite Masse an Versicherten auch so sieht und das E-Rezept für sich annehmen und nutzen wird, ist jedoch noch eine Menge an Aufklärung nötig.
Veröffentlicht am: 26.04.2021
Letzte Aktualisierung: 06.06.2024
Quellen
[1] DAZ.online. Das transparente Rezept? https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/10/21/das-transparente-e-rezept
[2] Verbraucherzentrale. Elektronische Rezepte: wichtige Fragen und Antworten zu E-Rezeption. https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/aerzte-und-kliniken/elektronische-rezepte-wichtige-fragen-und-antworten-zu-erezepten-64285
[3] gematik. E-Rezept. https://www.gematik.de/anwendungen/e-rezept