Der elektronische Medikationsplan: Fortschritt in der Arzneimitteltherapiesicherheit

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Zusammenfassung
Menschen, die mit chronischen Erkrankungen leben, nehmen häufig mehrere Medikamente ein – noch mehr sind es, wenn zusätzlich Begleiterkrankungen bestehen. Vor allem im Hinblick auf den demographischen Wandel nimmt die Anzahl der Multimedikation (Polypharmazie) zu. Der elektronische Medikationsplan (eMP) könnte hier die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) erhöhen
Der eMP gehört wie das E-Rezept zu den vom Bund beschlossenen Patienten unterstützenden Maßnahmen. Der eMP ist eine digitalisierte Form des herkömmlichen Medikationsplans. Er ist dazu gedacht, wichtige Informationen über die Anwendung der Arzneimittel zu vermitteln, um so das Patientenrisiko im Umgang mit Arzneimitteln um ein Vielfaches zu verringern und gleichzeitig die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen. Dies ist wichtig, um Medikationsfehler zu vermeiden. Dazu zählt beispielsweise die versehentliche Mehrfacheinnahme von Tabletten.
Im Jahr 2019 nahmen etwa 23 Prozent, das heißt ungefähr 15 Millionen aller erwachsenen Bürger Deutschlands drei oder mehr Medikamente dauerhaft und weitere 30 Prozent mehr als ein Medikament regelmäßig ein. Eine Multimedikation (oder Polymedikation) liegt vor, wenn erkrankte Menschen drei bis fünf Medikamente dauerhaft und parallel einnehmen. So eine Polymedikation betrifft etwa jedem vierten Menschen in Deutschland.
Eine Polymedikation birgt ein gewisses Gefahrenpotential, denn: Jedes Medikament kann Nebenwirkungen haben oder durch den Medikamentenmix wechselwirken (Arzneimittelinteraktion). Dies hat teils unangenehme, aber auch gefährliche Folgen: Durch die Wechsel- oder Nebenwirkungen kommt es beispielsweise zu Schwindelattacken und dadurch vor allem bei älteren Menschen auch zu schweren Stürzen. Hier sind zehn bis 30 Prozent der Krankenhauseinweisungen auf Arzneimittelwechsel- und -nebenwirkungen zurückzuführen. Dies stellt eine enorme Belastung in Millionenhöhe für die Leistungsträger dar.
Ärztliche Praxen sollen Medikationsfehler der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) melden. Diese analysiert die Fehler und informiert wiederum die Ärzteschaft über mögliche Arzneimittelrisiken.
Medikationsanalyse dient der Arzneimittelsicherheit
Durch eine Medikationsanalyse lassen sich diese Arzneimittelrisiken bestimmen, verringern und gleichzeitig die medikamentöse Behandlung effektiver gestalten. Dies trägt erheblich zur Arzneimitteltherapiesicherheit bei. Jedoch wenden bislang nur ein Drittel der Apotheken die Medikationsanalyse an – es wird aber davon ausgegangen, dass mehr Menschen diese nutzen oder anfragen würden, wenn sie von der Möglichkeit wüssten. Seit Sommer 2022 ist die erweiterte Medikationsberatung für Patienten, die mindestens 5 Medikamente dauerhaft einnehmen, durch eine Apotheke abrechenbar mit der Krankenkasse.
Bei der – auch Brown-Bag-Analyse genannten – Medikationsanalyse bringen die Patientinnen oder Patienten alle verschreibungspflichtigen und freiverkäuflichen Medikamente, die sie regelmäßig einnehmen, mit in die Apotheke. Dort prüft das Apothekenteam die möglichen Nebenwirkungen und wie die verschiedenen Arzneien miteinander wechselwirken. Werden Komplikationsrisiken festgestellt, prüft das Team, wie sich diese vermeiden lassen – wenn nötig, auch nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten oder Ärztinnen. Diese Dienstleistung ist alle 12 Monate abrechenbar. Sollte es zu erheblichen Umstellungen (mindestens 3 neue Arzneimittel in einem Zeitraum von 4 Wochen als Dauermedikation) kommen, kann die Medikationsanalyse vor der 12-Monatsfrist erneut erbracht werden.
Der Vorteil: Nach der Analyse listet das Apotheken-Team die miteinander verträglichen Medikamente in einem Medikationsplan auf.
Vom bundeseinheitlichen zum elektronischen Medikationsplan

Arzneimittelinteraktionen und -nebenwirkungen lassen sich vermeiden – wenn ein Überblick über die verschriebenen Arzneien besteht. Daher wurde im Jahr 2016 der bundeseinheitliche Medikationsplan eingeführt, damit Ärztinnen und Ärzte sowie auch die Betroffenen selbst immer wissen, welche Dosierung bei welchen Medikamenten ratsam ist.
Jedoch sind diese Medikationspläne aus Papier meist nicht aktuell: Entweder haben sich die Dosierungen geändert, Wirkstoffe wurden abgesetzt oder durch andere ersetzt, ohne dass dies entsprechend vermerkt wurde – diese Aufgabe lag bislang bei der verschreibenden Ärztin oder dem verschreibenden Arzt.
Der elektronische Medikationsplan (eMP) stellt eine Weiterentwicklung dar: Dieser wird – wenn der oder die Betroffene damit einverstanden ist – in die elektronische Patientenakte (ePA) oder auf die elektronische Gesundheitskarte (eGK) geladen und nach jeder neuen Verschreibung in der Praxis oder der Apotheke aktualisiert. Der eMP ist standardmäßig durch eine PIN geschützt. Bei Bedarf kann der oder die Versicherte diese jedoch deaktivieren.

Von Vorteil ist hier:
- Der Zugriff auf die lebenswichtigen Informationen ist für ärztliches Personal und das Personal in der Apotheke vereinfacht.
- Die Arzneimitteltherapiesicherheit ist höher durch bessere Kommunikation zwischen Apotheke und Praxis.
- Durch die doppelte Kontrolle steigert sich die Arzneimitteltherapiesicherheit.
- Der Medikationsplan geht nicht verloren oder wird beim nächsten Besuch in Apotheke oder Praxis zu Hause nicht vergessen.
Apotheke und Praxis: Ein Team im Medikationsmanagement
Die Medikationsanalyse und der eMP stellen nur zwei Grundpfeiler für eine erhöhte AMTS für die Patientinnen und Patienten dar. Abgerundet wird sie durch das Medikationsmanagement: Dabei stellt die Apotheke die Ergebnisse der Brown-Bag-Analyse zur Verfügung, die Praxis die Diagnose und die Labordaten und die Krankenkasse die Verordnungsdaten. Anhand der Ergebnisse aus der Medikationsanalyse erstellt die Ärztin oder der Arzt einen entsprechenden Behandlungsplan.
Fazit
Der eMP zählt nicht nur zu den dringend benötigten Meilensteinen für mehr Sicherheit von Patientinnen und Patienten im Umgang mit Arzneimitteln, sondern bietet gleichzeitig eine wichtige und zukunftsträchtige Grundlage für weitere Innovationen: besonders beim Thema mHealth Services, die zur stetigen Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit und somit zur täglichen Entlastung aller Beteiligten beitragen.
Veröffentlicht am: 08.03.2024
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Quellen
[1] DAZ.online. So klappt es endlich mit der Medikationsanalyse in der Apotheke. Stand 20.08.2021 https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2021/08/20/so-klappt-es-endlich-mit-der-medikationsanalyse-in-der-apotheke/chapter:2.
[2] Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA). Medikationsmanagement. https://www.abda.de/themen/arzneimitteltherapiesicherheit/foerderinitiative-pharmazeutische-betreuung/medikationsmanagement/
[3] Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Erfassung und Bewertung von Medikationsfehlern durch die AkdÄ. https://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Medikationsfehler/index.html
[4] CompuGroup Medical. Elektronischer Medikationsplan (eMP) https://www.cgm.com/deu_de/plattformen/telematikinfrastruktur/anwendungen/elektronischer-medikationsplan.html
[5] Kassenärztliche Bundesvereinigung. Medikationsplan/Arzneimitteltherapie-Sicherheitsprüfung https://www.kzbv.de/elektronischer-medikationsplan.1356.de.html#
[6] aerzteblatt.de. Hunderttausende Krankenhauseinweisungen durch Medikationsfehler. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/89461/Hunderttausende-Krankenhauseinweisungen-durch-Medikationsfehler
[7] So soll die Medikationsberatung ablaufen. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/so-soll-die-medikationsberatung-ablaufen-133780/
[8] Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation https://www.abda.de/pharmazeutische-dienstleistungen/polymedikation/
[9] Wie funktioniert der elektronische Medikationsplan? https://fachportal.gematik.de/anwendungen/elektronischer-medikationsplan