Thyreostatika - Anwendung, Wirkungen und Nebenwirkungen

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Zusammenfassung
Thyreostatika sind Medikamente, die die Funktion der Schilddrüse hemmen. Deshalb werden sie meist eingesetzt, um eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) zu behandeln. Es gibt verschiedene Ansatzpunkte der Hormonproduktion, an denen die Präparate ansetzen. Entsprechend unterscheidet sich auch, wann welcher Wirkstoff eingesetzt wird. Teilweise werden sie auch kombiniert.
Was sind Thyreostatika?

Der Begriff Thyreostatika bezeichnet eine Reihe von Medikamenten, die die Produktion oder Freisetzung von Schilddrüsen-Hormonen hemmen. Sie werden deshalb zur Behandlung einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) eingesetzt.
Je nach Wirkmechanismus werden verschiedene Thyreostatika unterschieden:
- Jodisationshemmstoffe, zum Beispiel Thiouracile und Mercaptoimidazol-Abkömmlinge
- Jodinationshemmstoffe wie Perchlorat-Ionen
- Medikamente, die verhindern, dass Schilddrüsen-Hormone freigesetzt werden, beispielsweise Jodid-Ionen und Jod-Kalium-Jodid
- Radiojod: Radioaktives Jod schädigt das Schilddrüsen-Gewebe. Dadurch werden weniger Schilddrüsen-Hormone produziert.
Wie wirken Thyreostatika?
Die Schilddrüse produziert die beiden Hormone Triiodthyronin (T3) und L-Thyroxin (T4). Grundsubstanz dieser Stoffe ist Thyronin, das aus der Aminosäure Tyrosin gebildet wird. Diesem Grundbaustein wird mit Hilfe von Enzymen (Peroxidasen) Jod hinzugefügt. Triiodthyronin (T3) ist die aktive, beziehungsweise deutlich wirkungsvollere Form der Schilddrüsenhormone und enthält drei Jod-Atome. T4 enthält entsprechend vier solcher Atome und kann außerhalb der Schilddrüse in das wirksamere T3 umgewandelt werden, indem das vierte Jod-Atom entfernt wird (De-Jodierung).
Thiouracile (Thioharnstoffe) hemmen das Enzym Peroxidase, das bei der Jodierung der Grundsubstanz eine entscheidende Rolle spielt: Dadurch werden weniger Schilddrüsen-Hormone gebildet. Bereits im Körper vorhandenes Hormon wird allerdings nicht beeinflusst und muss zunächst verbraucht werden. Deshalb tritt eine sichtbare Wirkung erst nach wenigen Wochen ein. Zu den Wirkstoffen aus der Gruppe der Thiouracile und ihrer Abkömmlinge gehören Propylthiouracil (kurz PTU) und Mercaptoimidazole wie Carbimazol und Thiamazol.
Perchlorate vermindern die Menge an Jodid-Ionen, die in die Schilddrüse aufgenommen werden. Dadurch steht in der Schilddrüse weniger Jod zur Verfügung, um Hormone herzustellen. Nach wenigen Wochen sinkt somit die Menge an T3 und T4 im Körper.
Werden der Schilddrüse große Mengen Jodid zugefügt, führt dies dazu, dass kurzfristig weniger Hormone freigesetzt werden. Der Effekt lässt allerdings schnell nach, daher wird das Verfahren nur in speziellen Fällen eingesetzt (beispielsweise, wenn kurzfristig eine Operation wegen Hyperthyreose geplant ist und es Gründe gibt, die gegen eine längerfristige Behandlung mit Thiouracilen sprechen). Diese Behandlung wird nach seinem Entdecker Henry Stanley Plummer auch als Plummerung bezeichnet, kommt aber nicht zur Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion zum Einsatz.
Radioaktives Jod (Radiojod), wird genauso in der Schilddrüse gespeichert, wie elementares Jod. Dort zerfällt es und gibt dabei Strahlung ab. Diese Strahlung hat nur eine geringe Reichweite und schädigt das Schilddrüsen-Gewebe in der unmittelbaren Umgebung. Ist weniger funktionierendes Schilddrüsen-Gewebe vorhanden, sinkt auch die Produktion entsprechender Hormone. So kann diese Methode eingesetzt werden, um eine Schilddrüsenüberfunktion zu behandeln. Die Wirkung tritt aber in der Regel erst nach einigen Monaten ein. Deshalb ist unmittelbar nach der Behandlung meist eine zusätzliche Therapie mit anderen Thyreostatika notwendig.
Wie und bei welchen Beschwerden werden Thyreostatika angewendet?
Thioharnstoffe werden eingesetzt, um eine Schilddrüsenüberfunktion zu behandeln, vor allem bei Morbus Basedow.
Empfohlene Dosierungen sind:
Propylthiouracil: Anfangsdosis bei Erwachsenen 150-400 Milligramm täglich, aufgeteilt auf zwei bis drei Dosen (in schweren Fällen auch häufigere Einnahme mit höherer Dosierung möglich)
Carbimazol: Anfangsdosis 15 bis 60 Milligramm täglich, später entweder 2,5 bis zehn Milligramm pro Tag oder fünf bis 20 Milligramm pro Tag. Bei letzterer Dosierung müssen zusätzlich meist Schilddrüsen-Hormone eingenommen werden.
Thiamazol: Anfangsdosis zehn bis 40 Milligramm pro Tag, später fünf bis zehn Milligramm in Kombination mit Schilddrüsen-Hormonen oder 2,5 bis zehn Milligramm pro Tag als Einzeltherapie.
Bei Morbus Basedow kann nach einem Jahr der Behandlung versucht werden, die Behandlung zu beenden. Stellen sich die ursprünglichen Beschwerden nach einer Weile wieder ein, sollte die Therapie aber fortgesetzt werden.
Perchlorate werden bei diagnostischen Methoden eingesetzt, bei denen radioaktive Stoffe zum Einsatz kommen (zum Beispiel Szintigrafie mit radioaktiv markiertem Jod). Sie verhindern die Aufnahme radioaktiven Jods in die Schilddrüse und senken so deren Strahlenbelastung. Außerdem werden Perchlorate eingesetzt, um eine Schilddrüsenüberfunktion zu behandeln, wenn eine Unverträglichkeit gegenüber Thiouracilen besteht.
Zur Vorbereitung einer Operation der Schilddrüse durch eine Plummerung wird eine wässrige Lösung mit Jod und Kaliumjodid eingesetzt (Lugol’sche Lösung).
Radiojod wird angewendet, um Schilddrüsenüberfunktionen unterschiedlichster Ursachen und Strumen zu behandeln. Eine Struma liegt vor, wenn die Schilddrüse krankhaft vergrößert ist. Außerdem kommen kleine Mengen radioaktiven Jods beim Radiojod-Test zum Einsatz, der die Funktion der Schilddrüse überprüfen soll. Die Dosierung erfolgt individuell und wird durch den Arzt verabreicht.
Nicht angewendet werden sollten Thyreostatika, wenn:
Thiouracile sollten nicht angewendet werden, wenn Teile der Schilddrüse vergrößert sind, die hinter dem Brustbein (retrosternal) liegen. Da sich die Struma unter Anwendung dieser Medikamente noch vergrößern kann, wird unter Umständen die Luftröhre eingeengt, die ebenfalls hinter dem Brustbein verläuft.
Dies gilt ebenso für Perchlorate. Außerdem sollten diese nicht eingenommen werden, wenn sich nach der Einnahme Blutbildveränderungen zeigen oder die Blutbildung gestört wird (Agranulozytose). Auch vor einer Plummerung sollten Perchlorate nicht eingesetzt werden.
Die Radiojodtherapie wird nicht während Schwangerschaft und Stillzeit angewendet.
Welche Nebenwirkungen können bei der Anwendung von Thyreostatika auftreten?
Thiouracile: Mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit und Störungen des Geruchssinns sowie allergische Hautreaktionen. In seltenen Fällen treten auch schwere Schäden des Knochenmarks auf, die in der Folge dazu führen, dass sich die Zahl einiger Blutzellen verändern kann. Am Herzen kann die Behandlung mit diesen Wirkstoffen zum Vorhofflimmern führen.
Außerdem können sie bei Schwangeren das ungeborene Kind beeinflussen und bei diesem zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen. Deshalb muss während der Schwangerschaft die Dosierung so niedrig wie möglich gewählt werden.
Perchlorate: Bei der Anwendung von Perchloraten kommt es unter Umständen zu Störungen des Verdauungstraktes und Störungen der Blutbildung (Agranulozytose, Blutarmut beziehungsweise Anämie). Auch ein nephrotisches Syndrom ist möglich. Dabei gehen vermehrt Eiweiße über Nieren und Urin verloren. Gleichzeitig steigen die Blutfette an und es bilden sich häufig Flüssigkeitsansammlungen (Ödeme), insbesondere an den Unterschenkeln. Diese Nebenwirkungen treten in der Regel erst einige Monate, nachdem die Behandlung begonnen wurde, auf.
Bei der Radiojodtherapie besteht ein geringes Risiko, dass es nach einiger Zeit – teilweise erst nach vielen Jahren – zu einer Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) kommen kann. In sehr seltenen Fällen entwickeln sich nach einer solchen Therapie Schilddrüsen-, Keimdrüsenkrebs oder eine Leukämie (Blutkrebs).
Gibt es Wechselwirkungen bei Thyreostatika?
Thiouracile und Perchlorate werden durch die Einnahme von Jodid beziehungsweise Jod-haltigen Medikamenten beeinflusst. Wenn sich die Funktion der Schilddrüse normalisiert, ist es möglich, dass andere Medikamente anders aufgenommen und verstoffwechselt werden. Unter Umständen ist es dann nötig, die Dosis entsprechend anzupassen.
Veröffentlicht am: 09.07.2024
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ATC Code(s)
ATC Codes sind internationale Klassifikationen von Wirkstoffen und Arzneimitteln.
- H03B, H03BA, H03BB, H03BC
- Quelle: Gelbe Liste
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Quellen
[1] Mutschler Arzneimittelwirkungen. 11. Auflage, Seiten 681-690. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart (2020).
[2] Pschyrembel Klinisches Wörterbuch online. Schilddrüsenblockade (Stand 04.2020). https://www.pschyrembel.de/Plummerung/K0B3E/doc/
[3] Die rote Liste unter: https://www.rote-liste.de/ (Stand: 08.2022)
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