Blutgerinnungsstörung - Symptome, Ursachen und Behandlung

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Blutgerinnungsstörungen sind Erkrankungen des Blutes, bei denen es entweder nicht ausreichend und zu langsam oder zu stark gerinnt. Eine verringerte Blutgerinnung ist allgemeinhin als „Bluterkrankheit“ bekannt. Es kommt zu plötzlichen Blutungen ohne erkennbare Ursache, oder Wunden bluten ungewöhnlich lang. Dies ist jedoch nur eine Form der Gerinnungsstörung. Ist die Blutgerinnung zu stark, bilden sich vermehrt Blutgerinnsel, welche die Gefäße verstopfen können.
Blutgerinnungsstörungen können erblich bedingt sein oder im Laufe des Lebens erworben werden. Ursachen sind entweder defekte Gene oder beispielsweise andere Erkrankungen und Medikamente. Ob erblich oder erworben, in beiden Fällen sind eine frühzeitige Therapie und Vorbeugung besonders wichtig, um schwere gesundheitliche Folgen wie einen starken Blutverlust, Thrombosen, Nieren- und Herzerkrankungen oder Schlaganfälle zu vermeiden.
Was sind Blutgerinnungsstörungen?
Kommt es aufgrund einer Verletzung zu einer innerlichen oder äußerlichen Blutung, werden im Körper automatisch Mechanismen aktiviert, die dafür sorgen, dass die Blutung zunächst stoppt und die verletzten Bereiche versiegelt werden. Dazu gerinnt an diesen Stellen das Blut – es bildet sich eine Art Pfropf. Diesen schrittweise verlaufenden Vorgang bezeichnen Mediziner als Blutstillung bzw. Blutgerinnung (Hämostase) – oder auch Gerinnungskaskade. Blutgerinnungsstörungen (Koagulopathien) sind Erkrankungen des Blutes, bei denen der Gerinnungsvorgang an unterschiedlichen Positionen der Kaskade gestört ist, wodurch das Blut nicht richtig oder übermäßig gerinnt.
Was bei der Blutgerinnung passiert
Zu Beginn der Gerinnungskaskade verengen sich die Gefäße (Arterien) im Bereich der Verletzung, sodass weniger Blut aus der Wunde austritt. Zeitgleich geben die verletzen Zellen Signalstoffe ab, die das Gerinnungssystem aktivieren. Blutplättchen (Thrombozyten) lagern sich daraufhin an den Wundrändern ab und bilden innerhalb von wenigen Minuten einen ersten Pfropf (Thrombozyten-Aggregat), um die Wunde zu verschließen. Dieser Pfropf ist jedoch noch nicht fest und stabil. Für einen dauerhaften Wundverschluss braucht es noch Eiweißfäden, bestehend aus Fibrin, die den Pfropf durchziehen und verfestigen.
Fibrin entsteht schrittweise durch das Zusammenwirken von sogenannten Gerinnungsfaktoren über eine inaktive Vorstufe, das Fibrinogen. Gerinnungsfaktoren sind mehrheitlich Proteine, wobei jeder Faktor an einem Schritt der Gerinnungskette beteiligt ist. Sie sind mit römischen Ziffern nummeriert.
Fehlt nun eines dieser Proteine oder ist nicht funktionstüchtig, kommt die Gerinnungskette zum Erliegen und das führt zu anhaltenden Blutungen (Hämorrhagien). Es kann jedoch auch der umgekehrte Fall eintreten und ein Gerinnungsfaktor ist in zu großer Menge vorhanden oder in seiner Wirkung verstärkt. Dann gerinnt das Blut zu stark und zu schnell, was zum Beispiel Blutgerinnsel (Thromben, Sing.: Thrombus) entstehen lässt. Mediziner bezeichnen diese Form der Gerinnungsstörung als Thrombophilie.
Welche Blutgerinnungsstörungen gibt es?
Eine Störung ist auf Höhe jedes einzelnen Schrittes der Gerinnungskette möglich. Abhängig davon, ob die Bildung des Thrombozyten-Pfropfs oder ein Gerinnungsfaktor betroffen ist, unterscheiden Experten verschiedene Blutgerinnungsstörungen. Diese werden entweder vererbt, sind also genetisch bedingt, oder sie entstehen im Laufe des Lebens aufgrund von Erkrankungen von Organen wie des Knochenmarks, der Leber oder der Nieren, durch eine Störung des Immunsystems oder durch äußere Einflüsse wie gerinnungshemmende Medikamente (Antikoagulantien). Auch ein Mangel an Vitamin-K kann eine Gerinnungsstörung verursachen. Sie sind somit erworben.
Die Arten der Blutgerinnung lassen sich in mehrere Formen einteilen, Maßgeblich hierfür ist unter anderem, ob die Blutgerinnung vermindert oder gesteigert ist. Ist sie vermindert, also zu schwach oder gar nicht vorhanden, wie es bei der hämorrhagischen Diathese der Fall ist, spricht man von einer „Minuskoagulopathie“. Als „Pluskoagulopathie“ bezeichnet man Gerinnungsstörungen, bei denen das Blut zu schnell verklumpt.
Gene als Ursache
Bei genetisch bedingten, also vererbten Gerinnungsstörungen liegt die Ursache zumeist in einem oder mehreren defekten Genen, die für die Ausbildung der Gerinnungsfaktoren verantwortlich sind. Ein Gendefekt kann einerseits zu einem Mangel des entsprechenden Gerinnungsfaktors führen oder zu einer Überaktivität.
Die Hämophilie, auch Bluterkrankheit genannt, ist eine der häufigsten angeborenen Gerinnungsstörungen. Hierbei liegt ein Mangel des Gerinnungsfaktors VIII (Hämophilie A) oder IX (Hämophilie B) vor. Das jeweils defekte Gen liegt auf dem X-Chromosom – einem der beiden Geschlechtschromosomen. Von einer Hämophilie sind mehrheitlich Männer betroffen, da sie, anders als Frauen, nur ein X-Chromosom besitzen und die Wahrscheinlichkeit damit höher ist, dass sich die Erkrankung entwickelt. Hämophilie A kommt deutlich häufiger vor als die Hämophilie B.
Eine weitere angeborene und zudem sehr seltene Gerinnungsstörung ist der Faktor-X-Mangel. Bei einem Mangel des Gerinnungsfaktors X ist einer der letzten Schritte der Gerinnungskette gestört, wodurch sich kein fester Wundverschluss bilden kann. Die Blutstillung und die Bildung eines ersten, jedoch instabilen Thrombozyten-Pfropfes finden dennoch statt, sodass es zu keiner fortwährenden Blutung kommt.
Die Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) gehört zu den Formen von Gerinnungsstörungen, bei denen es zu einer verstärkten Thrombenbildung kommt. Sie kann angeboren oder auch erworben sein. Ursache für die Entstehung dieser Blutgerinnsel ist die mangelnde Aktivität eines bestimmten Enzyms im Blutplasma, das den sogenannten von-Willebrand-Faktor (vWF) in kleinere Stücke zerlegt. Der vWF ist ein großes, komplexes Eiweißmolekül, das eine entscheidende Funktion bei der Blutgerinnung hat.
Ist der von-Willebrand-Faktor selbst defekt, sprechen Mediziner vom Willebrand-Syndrom – die häufigste angeborene Gerinnungsstörung. Auch hierbei kann der Gerinnungsprozess nicht vollständig ablaufen, was zu einer Blutungsneigung führt.
Erkrankungen als Ursache
Erworbene Gerinnungsstörungen basieren zumeist auf Erkrankungen der Leber oder Nieren sowie defekten Blutgefäßen. Viele der Gerinnungsfaktoren werden beispielsweise in der Leber produziert. Ist diese erkrankt, kann das zu einer mangelnden oder übermäßigen Blutgerinnung führen. Auch eine Erkrankung des Rückenmarks, in dem die Blutzellen und Blutplättchen gebildet werden, hat unter Umständen eine Blutgerinnungsstörung zur Folge. Eine Störung des Immunsystems (Autoimmunerkrankung), bei dem der Körper vermehrt Antikörper gegen bestimmte Gerinnungsfaktoren bildet, kann ebenso zu einer verstärkten Blutungsneigung führen.
Was sind Symptome bei Blutgerinnungsstörungen?
Bei Gerinnungsstörungen besteht entweder eine erhöhte oder herabgesetzte Blutungsneigung, die abhängig vom Ausmaß der Störung unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Gerinnungsstörungen lassen sich demnach in Schweregrade einteilen. Oft haben Menschen mit einer leichten Erkrankungsform kaum oder gar keine Beschwerden. Sie machen sich nur in bestimmten Situationen, zum Beispiel bei Verletzungen, bemerkbar.
Typische Symptome bei einer erhöhten Blutungsneigung sind zum Beispiel:
- Länger blutende Wunden (z.B. auch nach Operationen)
- Großflächige Blutergüsse (Hämatome), die schon bei kleinsten Stößen oder spontan entstehen
- Spontane, punktförmige Einblutungen in die Haut (Petechien)
- Starke, länger andauernde Regelblutung (Menstruation)
- Vermehrtes Zahnfleischbluten
- Plötzliches Nasenbluten
Bei schwereren Fällen von Hämophilie A oder B kommt es beispielsweise häufig zu Einblutungen in Gelenke wie das Knie- und Sprunggelenk. Das führt meist zusätzlich zu Schmerzen.
Was sind mögliche Folgen von Blutgerinnungsstörungen?
Leichte Formen von Gerinnungsstörungen verursachen zumeist keine Komplikationen.
Kommt es zum Beispiel vermehrt zu Einblutungen in Gelenke, hat das oft Schmerzen in den betroffenen Gelenken zur Folge. Auch innere Blutungen können vorkommen. Hiervon geht eine besondere Gefahr aus, denn sie sind äußerlich nicht sichtbar und verursachen zumeist erst bei einem stärkeren Ausmaß Symptome wie Abgeschlagenheit oder Schmerzen. Unbemerkt können sie zu einem erhöhten Blutverlust führen und schwere gesundheitliche Folgen haben.
Wenn sich Blutgerinnsel bilden, sind diese ebenso wenig äußerlich sichtbar wie innere Blutungen. Gerinnungsstörungen, bei denen das Blut stärker gerinnt, machen sich oft erst durch Folgeerkrankungen bemerkbar, wie:
- Thrombosen in den Beinen (Venenthrombosen) und damit einhergehende Schmerzen
- Bewusstseinsstörungen (bei einer Minderdurchblutung des Gehirns)
- Gefäß- und Herzerkrankungen (z.B. Aneurysmen, koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt)
- Lungenembolie
- Niereninsuffizienz
- Schlaganfälle
Wie stellt der Arzt eine Blutgerinnungsstörung fest?
Liegt der Verdacht einer Gerinnungsstörung vor, lassen der Arzt oder die Ärztin in der Regel das Blut auf seine Bestandteile hin untersuchen. Im Zuge der Blutuntersuchungen wird zum Beispiel die Anzahl, Form und Funktionsfähigkeit der Blutzellen, insbesondere aber der Blutplättchen überprüft. Außerdem wird die Blutungs- bzw. Gerinnungszeit bestimmt, die im Normalfall zwischen zwei und fünf Minuten andauert. In der Regel ist das der sogenannte Quick-Wert, der Aufschluss darüber gibt, wie schnell das Blut gerinnt. Manchmal wird auch der INR-Wert (International Normalized Ratio) bestimmt, der den nach WHO-Standards genormten Quick-Wert abbildet und ebenfalls Auskunft über die Gerinnungszeit gibt.
Um sagen zu können, um welche Form der Gerinnungsstörungen es sich genau handelt, sind zumeist weitere Testverfahren notwendig. So wird beispielweise die Konzentration einzelner Gerinnungsfaktoren ermittelt oder eine Genanalyse durchgeführt. So lässt sich feststellen, ob es sich beispielsweise um eine Hämophilie A oder B handelt.
Welche Therapie gibt es bei Blutgerinnungsstörungen?
Kommt es zu einer Blutung, richtet sich die Therapie nach ihrem Schweregrad und besteht in erster Linie aus einer sofortigen Blutstillung mithilfe von:
- Kompression (zum Beispiel in Form von Verbänden)
- Fibrinkleber (auch Gewebekleber genannt)
- Antifibrinolytika (Substanzen, die den Abbau von Fibrin hemmen und lokal oder innerlich (systemisch) angewendet werden)
Neben der sofortigen Blutstillung ist die Beseitigung der Ursache oberstes Ziel der Therapie. Sind bestimmte Medikamente die Ursache, sollten diese möglichst nicht mehr eingenommen werden. Dazu zählen vor allem nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen und Acetylsalicylsäure (ASS) oder andere Thrombozytenaggregationshemmer. Letzteres sind Substanzen, die verhindern, dass das Blut zu stark gerinnt. Liegen andere Grunderkrankungen vor, gilt es, diese zu behandeln.
Je nach Art der Gerinnungsstörungen können noch weitere Therapieformen zum Einsatz kommen, wie die Gabe von Gerinnungsfaktoren, Vitamin K oder eines Thrombozytenkonzentrats, wenn zu wenige Blutplättchen vorliegen. Außerdem besteht die Möglichkeit einer Antikörper- oder Gentherapie oder auch einer Blutplasma-Transfusion. Letztere kommt zum Beispiel infrage, wenn sich im Blut eine zu große Menge an Autoantikörpern befindet, die die Gerinnungsfaktoren zerstören. Durch die Transfusion wird das Blut von den Antikörpern bereinigt.
Was können Sie bei Blutgerinnungsstörungen tun?
Liegt eine erhöhte Blutungsneigung vor, gilt es, Blutungen vorzubeugen. Betroffene sollten beispielsweise Sportarten oder Tätigkeiten mit hohem Verletzungsrisiko meiden. Achten Sie darauf, sich keine unnötigen Wunden zuzuziehen. Halten Sie Verbandsmaterial mit Kompressen immer griffbereit, sollte es doch einmal zu einer Verletzung kommen.
Achten Sie darauf, Vitamin K in den empfohlenen Mengen zu sich zu nehmen. Es verstärkt die Gerinnung des Blutes und fördert somit unter Umständen die Bildung von Blutgerinnseln. Nehmen Sie beispielsweise Gerinnungshemmer ein, sollten Sie nicht zu viel Vitamin K mit der Nahrung aufnehmen. Wenn Sie sich unsicher sind, fragen Sie Ihren Arzt, Ihre Ärztin, in Ihrer Apotheke oder auch einen Ernährungsberater bzw. eine Ernährungsberaterin, wie viel Vitamin K in Ihrem Fall günstig ist.
Veröffentlicht am: 22.10.2024
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Quellen:
[1] Herold G.: Innere Medizin, Selbstverlag, Köln 2022
[2] S2k-Leitlinie der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH): Diagnose von Thrombozytenfunktionsstörungen – Thrombozytopathien (Stand: 28.02.2018) https://register.awmf.org/assets/guidelines/086-003l_S2k_Diagnostik_Thrombozytenfunktionsstoerungen_Thrombozytopathien_2018-09.pdf
[3] S2k-Leitlinie der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V. (GTH): Therapie angeborener thrombozytärer Erkrankungen (Stand: 02.04.2020) https://register.awmf.org/assets/guidelines/086-004l_S2k_Therapie-angeborener-thrombozytaerer-Erkrankungen_2020-05.pdf
[4] Querschnitts-Leitlinien der Bundesärztekammer (BÄK): Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten (Stand: 21.08.2020) https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/pdf-Ordner/MuE/Querschnitts-Leitlinien_BAEK_zur_Therapie_mit_Blutkomponenten_und_Plasmaderivaten-Gesamtnovelle_2020.pdf
[5] Miesbach W et al.: Therapiemöglichkeiten der Hämophilie. Dtsch Arztebl Int 2019; 116:791-798
[6] Online-Information der Deutschen Hämatologiegesellschaft (DHG). Hämophilie. https://www.dhg.de/blutungskrankheiten/haemophilie.html
[7] AL-Ansari, R.Y., et al.: A case report of congenital factor X deficiency in an adult patient. SAGE Open Medical Case Reports. 2022;10
[8] Dolan G. et al.: Haemophilia B: Where are we now and what does the future hold? Blood Rev. 2018;32(1):52-60
[9] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), Gesundheitsinformation.de: Hämophilie (Bluterkrankheit). https://www.gesundheitsinformation.de/haemophilie-bluterkrankheit.html
[10] George L.A. et al.: Hemophilia B Gene Therapy with a High-Specific-Activity Factor IX Variant. N Engl J Med 2017; 377:2215-2227
[11] Bommer M. et al.: Differenzialdiagnose und Therapie thrombotischer Mikroangiopathien. Dtsch Arztebl Int 2018; 115:327-34
[12] Larsen, R.: Blutgerinnung. Anästhesie und Intensivmedizin für die Fachpflege. 2016; 14:276-81
[13] Deximed.de: Blutverdünnende Medikamente und Vitamin K in Lebensmitteln. https://deximed.de/home/klinische-themen/herz-gefaesse-kreislauf/patienteninformationen/behandlungen/vitamin-k-antangonisten-und-vitamin-k-in-lebensmitteln
[15] Deutsche Gesellschaft für Ernährung Vitamin K https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-k/
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