Dyskalkulie - Symptome, Therapie und Ursache

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Als Rechenstörung (Dyskalkulie) werden Schwierigkeiten bezeichnet, mathematische Berechnungen durchzuführen oder Mengen einzuschätzen, ohne dass die Intelligenz der Person vermindert ist. Meist fällt eine Dyskalkulie im Grundschulalter auf, bei Erwachsenen gehen Fachverbände jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, da Betroffene ihre Probleme aufgrund von Scham oft verstecken.
Was ist eine Dyskalkulie?
Etwa drei bis sechs Prozent der Bevölkerung sind von einer Rechenstörung (Dyskalkulie) betroffen. Eine Dyskalkulie hat nichts mit der Intelligenz zu tun, sondern ist eine Entwicklungsstörung, die insbesondere zu Schwierigkeiten führt, Mengen einzuschätzen und zu zählen. Daher fällt Betroffenen meist der Mathematikunterricht in der Schule extrem schwer, was zu starker psychischer Belastung führen kann. Eine unbehandelte oder nicht diagnostizierte Dyskalkulie wirkt sich bei vielen betroffenen Erwachsenen weiterhin negativ auf den Alltag aus.
Bekannter als die Dyskalkulie ist vermutlich die Lese-Rechtschreibschwäche (Legasthenie), die ebenfalls nicht mit einer verringerten Intelligenz zusammenhängt, aber im Jahr 2023 rechtlich als Behinderung anerkannt wurde. Dieses Urteil wird vermutlich Änderungen im Prüfungsrecht nach sich ziehen, um Kinder mit einer Legasthenie nicht zu benachteiligen. Da beide Entwicklungsstörungen sich sehr ähneln, hoffen viele Betroffene und Eltern, dass auch Dyskalkulie zukünftig Berücksichtigung finden wird.
Wie äußert sich eine Dyskalkulie?
Typische Anzeichen für eine Dyskalkulie sind Probleme, Zahlen einzuordnen und als Mengenangaben zu verstehen. Die Logik hinter Rechenschritten wird oft nicht verstanden, weshalb Kinder mit Dyskalkulie diese meist auswendig lernen und dann bei leicht abweichender Aufgabenstellung nicht mehr anwenden können. Das Ablesen der Uhr kann Kindern ebenfalls Schwierigkeiten bereiten.
In 30 bis 40 Prozent der Fälle tritt eine Rechenstörung gemeinsam mit einer Lese-Rechtschreibschwäche auf, und zehn bis 20 Prozent der Kinder mit Dyskalkulie haben zusätzlich eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS). Aufgrund der psychischen Belastung treten bestimmte Begleiterkrankungen besonders häufig infolge einer Rechenstörung auf. Dazu zählen unter anderem:
- Angst (z.B. vor dem Mathematikunterricht) bis hin zu Angststörungen
- Psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen
- Depressive Störung
- Störung des Sozialverhaltens
Was verursacht eine Dyskalkulie?
Die Ursachen zur Entstehung einer Dyskalkulie können bis heute nicht im Einzelnen geklärt werden. Hierbei scheinen jedoch verschiedene Faktoren eine Rolle zu spielen, wie genetische oder psychische und soziale Faktoren.
Da das Risiko einer Dyskalkulie erhöht ist, wenn bereits ein Geschwisterkind davon betroffen ist, scheint sie zumindest teilweise genetisch bedingt zu sein. Um mathematische Aufgaben zu lösen, müssen mehrere Teile des Gehirns zusammenarbeiten. Daher geht man davon aus, dass dieses neuronale Netz zur Verarbeitung von Zahlen und Mengen bei Menschen mit Dyskalkulie anders aktiviert wird.
In verschiedenen Studien zeigte sich, dass nicht nur die direkte Verarbeitung von Zahlen und Mengen und der Abruf von arithmetischen Fakten aus dem Gedächtnis beeinträchtigt ist, sondern auch das visuell-räumliche Gedächtnis und bestimmte andere Prozesse, die die notwendige gedankliche Organisation für eine mathematische Berechnung schaffen.
Eine Dyskalkulie kann nicht durch psychische und soziale Faktoren ausgelöst werden. Rechenschwierigkeiten können jedoch verstärkt werden, wenn Inhalte aus dem Matheunterricht beispielsweise schlecht vermittelt werden.
Die Schwierigkeiten im Mathematikunterricht können sich bei betroffenen Kindern auf die gesamte schulische Leistung auswirken. Die psychische und soziale Belastung äußert sich oft in Selbstwertverlust, Schuldgefühlen oder einem Rückzug aus sozialen Situationen. In schweren Fällen kann die Angst vor dem Versagen dazu führen, dass Kinder den Mathematikunterricht oder sogar den Schulbesuch an sich vermeiden.
Wie wird die Diagnose Dyskalkulie gestellt?
Durch die 2018 erschienene S3-Leitlinie“Diagnostik und Behandlung einer Rechenstörung“ kann eine Dyskalkulie einwandfrei diagnostiziert werden. Die Leitlinie befindet sich derzeit jedoch in Überarbeitung.
Wichtig für die Diagnose einer Dyskalkulie ist es zunächst, andere Faktoren auszuschließen, die ebenfalls die Rechenfertigkeiten beeinflussen könnten. Dazu können verschiedene Untersuchungen stattfinden, um die körperlichen, neurologischen, sensorischen und intellektuellen Funktionen zu überprüfen. Zu den Kriterien, die vor einer Diagnose ausgeschlossen werden müssen, zählen
- kein regelmäßiger Schulbesuch mit Mathematikunterricht,
- mangelnde Intelligenz, um die Unterrichtsinhalte zu verstehen sowie
- Erkrankungen, die das Hör- oder Sehvermögen dauerhaft einschränken.
Die Krankheitsgeschichte (Anamnese) und eine Abklärung der Familien- und Schulsituation sind ebenfalls wichtig. So lässt sich beispielsweise abschätzen, inwiefern sich die Rechenschwierigkeiten auf die schulische Integration des Kindes und die Teilnahme am Sozialleben auswirken. Nach Ausschluss anderer Ursachen für die schulischen beziehungsweise Rechenprobleme können standardisierte Tests helfen, die Diagnose Dyskalkulie zu bestätigen.
Verschiedene solcher Tests können den Umgang mit Grundrechenarten und Textaufgaben überprüfen sowie weitere Bereiche der geistigen Leistungsfähigkeit testen, die für das Rechnen von Bedeutung sind. Als Hinweis für eine Rechenstörung gilt es, wenn die mathematische Leistung dieser Tests signifikant unter der Norm der entsprechenden Altersgruppe oder des Schuljahrs liegt.
Im Rahmen der Untersuchungen sollte zusätzlich ein Screening auf gleichzeitig auftretende (komorbide) Störungen stattfinden, darunter insbesondere:
- Lese-Rechtschreibschwäche
- ADHS
- Angststörungen (z. B. Mathematik-, Prüfungs- und Schulangst) oder Depressionen
- Störungen des Sozialverhaltens, aggressives oder regelverletzendes Verhalten
Wie sieht die Behandlung bei Dyskalkulie aus?
Die Behandlung der Rechenstörung ist sehr individuell und richtet sich danach, welche Bereiche im Rahmen der standardisierten Tests als besonders problematisch hervorgetreten sind. Daneben können Gespräche zwischen Therapeutinnen und Therapeuten mit dem Lehrpersonal hilfreich sein, um mehr über das Verhalten des Kindes während des Matheunterrichts zu erfahren. Gleichzeitig lässt sich so kommunizieren, welche Hilfsmittel eventuell im Unterricht verwendet werden können.
Eine Therapie der Rechenstörung sollte durch ausgebildetes pädagogisch-therapeutisches Fachpersonal erfolgen, welches Erfahrung im Bereich der Rechenbildung hat. Standards dafür haben unter anderem der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (BVL) und der Fachverband für integrative Lerntherapie e. V. (FiL) festgelegt. Prinzipiell geht es darum, Betroffenen ein Zahlenverständnis zu vermitteln, auf dem aufbauend sie das notwendige Wissen für Grundrechenarten und andere mathematische Vorgänge erlernen können.
Um festzustellen, wie erfolgreich die Therapie ist, überprüfen unabhängige Fachkräfte regelmäßig – meist jährlich –, inwiefern sich die Rechenfähigkeiten verbessert haben. Besteht bei einem Kind ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Rechenstörung, kann eine Förderung bereits im Vorschulalter beginnen. Auch wenn eine frühe Förderung besonders effektiv ist, können Erwachsene ebenso von einer Dyskalkulie-Therapie profitieren.
Sollten im Rahmen der Untersuchung oder im Verlauf der Förderung weitere Erkrankungen wie ADHS oder eine depressive Störung aufgefallen sein, werden diese gleichzeitig behandelt.
Was können Sie selbst bei Dyskalkulie tun?
Eltern sind besonders in Hinblick auf die emotionale Unterstützung ihres Kindes gefragt. Das beinhaltet sowohl Motivation und die Vermittlung des Gefühls, dass eine Besserung eintreten kann, wie auch die Sicherheit, dass die Mathenote nicht den wichtigsten Aspekt des Lebens darstellt.
Erwachsene können ebenfalls von einer Therapie profitieren. Bei Begleiterkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen, bei denen eine psychotherapeutische Behandlung angeraten ist, übernimmt die Krankenkasse im Normalfall die Kosten – bei einer Dyskalkulie-Therapie ist dies bei Erwachsenen jedoch nicht der Fall. Suchen Sie einen Therapieplatz für die Behandlung Ihrer Rechenstörung, achten Sie darauf, dass Ihre Therapeutin oder Ihr Therapeut eine entsprechende Qualifikation im Bereich Dyskalkulie/Rechenstörung besitzt.
Viele Betroffene finden es hilfreich, im privaten und beruflichen Umfeld offen über ihre Rechenstörung zu reden. So lassen sich Missverständnisse vermeiden, und es fällt oft leichter, im Fall der Fälle um Hilfe zu bitten. Gleichzeitig ist es jedoch wichtig, sich der eigenen Stärken bewusst zu sein und diese ebenso zu kommunizieren.
Veröffentlicht am: 03.09.2024
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ICD Code
ICD Codes sind Internationale statistische Klassifikationen der Krankheiten zu finden z.B. auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) oder Ärztebriefen.
- F81
- Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm
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Quellen:
[1] Pschyrembel. Online. Rechenstörung. https://www.pschyrembel.de/Dyskalkulie/P062D/doc/
[2] S3-Leitlinie Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e. V. (DGKJP): https://www.bvl-legasthenie.de/images/static/pdfs/Leitlinien/S3-Leitlinie_Rechenstrung_Langfassung.pdf
[3] McCaskey U et al. Persistent Differences in Brain Structure in Developmental Dyscalculia: A Longitudinal Morphometry Study. Front Hum Neurosci. 2020;14:272.
[4] Lerntherapeutisches Zentrum Rechenschwäche/Dyskalkulie Köln (LZR). Erwachsene mit Rechenschwäche / Dyskalkulie. https://www.lzr-koeln.de/rechenschwaeche/erwachsene-mit-rechenschwaeche.html
[5] Haberstroh S et Schulte-Körne G. The Diagnosis and Treatment of Dyscalculia. Dtsch Arztebl Int. 2019;116(7):107-114.
[6] Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. Dyskalkulie. https://www.bvl-legasthenie.de/dyskalkulie
[7] Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. Pressemitteilung: Bundesverfassungsgericht: Legasthenie als Behinderung bestätigt. https://www.bvl-legasthenie.de/images/static/pdfs/presse/Pressebeitrag_Urteil_BVerfG-22.11.2023.pdf
[8] S3-Leitlinie: Diagnostik und Behandlung der Rechenstörung https://register.awmf.org/assets/guidelines/028-046l_S3_Rechenst%C3%B6rung-2018-03_1-abgelaufen.pdf
[9] Dyskalkulie https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/dyskalkulie
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