Legasthenie - Ursachen, Symptome und Therapie

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Legasthenie ist eine spezifische Lernstörung, bei der Betroffene meist ausgeprägte Schwierigkeiten beim Lesen und korrektem Schreiben haben. Die Lernstörung wird auch als Lese- und Rechtschreibstörung bezeichnet. Sie lässt sich nicht auf eine verminderte Intelligenz oder andere Entwicklungsstörungen zurückführen. Oft wird Legasthenie aufgrund schulischer Probleme in der Kindheit festgestellt. Aber auch Erwachsene können eine Lese-Rechtschreibschwäche haben, denn die Störung ist nicht heilbar. Vermutlich spielen erbliche Faktoren und Besonderheiten in der Wahrnehmung und bei Denkprozessen eine ursächliche Rolle. Legasthenie ist mit typischen Schwierigkeiten beim Lesen und charakteristischen Fehlern beim Schreiben verbunden. Ein Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie kann die Diagnose anhand feststehender Diagnosekriterien stellen. Durch ein spezifisches Lerntraining lassen sich die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben in vielen Fällen gut verbessern. Es ist sinnvoll frühzeitig mit einer Lerntherapie zu beginnen, da die Legasthenie unbehandelt weitere Störungen und seelische Probleme nach sich ziehen kann.
Was ist Legasthenie?
Legasthenie wird als Begriff meist synonym mit einer Lese- und Rechtschreibstörung behandelt. So ist sie im internationalen Klassifikationssystem für Erkrankungen (ICD-10) unter den „Umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten“ als „Lese- und Rechtschreibstörung“ aufgeführt. Die Störung ist charakterisiert durch typische Schwierigkeiten beim Lesen, mitunter auch durch Probleme den gelesenen Inhalt zu erfassen sowie durch viele Rechtschreibfehler. Von der Lese- und Rechtschreibstörung abzugrenzen ist eine isolierte Leseschwäche, bei der sich die Störung ausschließlich auf das Lesen bezieht sowie eine isolierte Rechtschreibstörung.
Eine Lese-Rechtschreibstörung liegt nur dann vor, wenn Kriterien wie eine geringe Intelligenz, psychische Erkrankungen, Einschränkungen des Sehens und des Hörens oder fehlender Schulunterricht als Ursachen ausgeschlossen werden können.
Welche Ursache hat Legasthenie?
Nicht selten haben Menschen mit Legasthenie mit Vorurteilen zu kämpfen, daher ist es wichtig zu wissen: Eine Lese-Rechtschreibstörung hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun.
Für die Lese-Rechtschreibstörung scheinen mehrere Ursachen eine Rolle zu spielen. Für einen genetischen Einfluss spricht, dass Legasthenie häufiger bei Kindern vorkommt, bei denen ein Elternteil (oder beide) die Lernstörung aufweist. Umgekehrt heißt das jedoch nicht, dass Erwachsene mit einer Lese-Rechtschreibstörung diese in jedem Fall an ihre Kinder vererben. Und auch bei Kindern, deren Eltern keine Legasthenie haben, kommt die Lese-Rechtschreibstörung vor.
Fachleute vermuten, dass der Legasthenie außerdem neurobiologische Ursachen zugrunde liegen. Man nimmt dabei an, dass das Gehirn von Betroffenen hörbare Reize wie Sprache und visuelle Eindrücke anders verarbeitet. Dadurch laufen Denkprozesse (Kognition) anders ab. So haben Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung etwa Probleme einzelne Laute zu unterscheiden und einen Laut einem Buchstaben zuzuordnen.
Darüber hinaus beeinflusst die Methodik, wie Lesen und Schreiben vermittelt wird, eine bestehende Legasthenie unter Umständen negativ oder kann dazu beitragen, dass sie verspätet erkannt wird.
Was sind Symptome bei Legasthenie?
Mitunter können sich schon im Vorschulalter erste Hinweise auf eine spätere Legasthenie zeigen: So haben betroffene Kinder häufiger Probleme Laute zu erkennen oder sich Gehörtes (z. B. Melodien, Lieder, Gedichte) zu merken. Erst wenn Kinder lesen und schreiben lernen, zeigen sich zunehmend Schwierigkeiten. Kinder mit dieser Lernstörung lesen im Altersvergleich deutlich langsamer und oftmals stockend. Auch fällt es ihnen meist schwer, den Inhalt des gelesenen Textes zu verstehen. Typisch ist auch, dass Betroffene
- Wörter auslassen, verdrehen, vertauschen
- Wörter erraten
- Wörter durch ähnliche Wörter ersetzen
- Unrhythmisch und ohne Betonungen vorlesen
Auch beim Schreiben sind die Auffälligkeiten bei einer Legasthenie charakteristisch:

- Gelernte Rechtschreibregeln werden nicht angewendet, auffällig hohe Anzahl an Rechtschreibfehlern in selbstverfassten oder diktierten Texten
- Auffällige Fehlerzahl in abgeschriebenen Texten, dabei fallen z. B. auch unterschiedliche Fehler desselben Wortes auf
- Verwechslung von ähnlich aussehenden Buchstaben
- Verwechslung von Lauten
- Buchstaben, Wörter oder Silben werden ausgelassen oder vertauscht
- Fehlerhafte Zeichensetzung
- Grammatikalische Fehler
- Unleserliches Schriftbild
Bleibt eine Lese-Rechtschreibstörung unbehandelt, können weitere Probleme entstehen. Zum einen wirken sich die mehr oder weniger schlechten schulischen Bewertungen negativ auf die Lernmotivation aus. Betroffene Kinder resignieren, verlieren an Selbstvertrauen und können Ängste vor den schulischen Anforderungen entwickeln. Manche Kinder ziehen sich emotional zurück, sind in trauriger oder depressiver Stimmungslage, andere zeigen Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität. Häufig tritt die Legasthenie gleichzeitig mit anderen Störungen wie die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) auf.
Wie erfolgt die Diagnose Legasthenie?
Die Diagnose einer Lese-Rechtschreibstörung stellen Fachleute wie Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder Psychologen mit therapeutischer Ausbildung. Wichtig ist im Vorfeld der Austausch zwischen Eltern, Lehrkräften und dem jeweiligen Therapeuten. So sind Aussagen vonseiten der Lehrer über die Lernentwicklung und den Notenstand des Kindes notwendig. Eltern können ihrerseits Fragen nach dem seelischen Zustand ihres Kindes am besten beantworten, etwa, ob ihr Kind oft traurig und zurückgezogen ist oder zum Beispiel Ängste oder Aggressionen zeigt. Zudem können sie Informationen liefern, ob eine Lese-Rechtschreibstörung bei weiteren Familienmitgliedern bekannt ist.
Viele unterschiedliche Aspekte sind für die Diagnose bedeutsam, vor allem gilt es, mögliche andere Ursachen für die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben auszuschließen. Dazu zählen unter anderem:
- Psychische Erkrankungen
- Verminderte Intelligenz
- Körperliche Erkrankungen, einschließlich solche, die das Sehen oder Hören beeinträchtigen
- Psychosoziale Bedingungen, die das Lernen und/oder die Psyche beeinträchtigen
Schließlich erfolgen verschiedene standardisierte Tests, die etwa die Lesegeschwindigkeit, Leseverständnis und Fehlerhaftigkeit beim Lesen genau untersuchen. Parallel dazu werden Testverfahren zur Rechtschreibfähigkeit angewendet. Mithilfe der Tests lassen sich zudem die konkreten individuellen Schwierigkeiten analysieren – dies ist wichtig für eine problemspezifische Therapie.
Wie wird eine Legasthenie behandelt?
Die Legasthenie-Therapie erfolgt durch ein spezifisches Lese-Rechtschreibtraining sowie ergänzend einem Lerntraining. Wichtig ist dabei, dass das Training die spezifischen Symptome des Betroffenen in den Blick nimmt und genau dort ansetzt. Damit sich Erfolge der Legasthenie-Therapie einstellen, ist meist ein längerer Zeitraum von einem oder auch mehreren Jahren erforderlich.
In der Regel ist ein Lese-Rechtschreibtraining stufenweise aufgebaut:
Logografische Stufe: Ziel ist es Buchstaben und Laute miteinander zu verknüpfen
Alphabetische Stufe: Hier soll das Bewusstsein für sprachliche Einheiten wie Silben oder Wörter geschult werden.
Orthografische Stufe: Strategien zur Umsetzung von Rechtschreibphänomenen und -regeln stehen hierbei im Fokus.
Computergestützte Programme, die sich an Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung richten, sind als alleinige Maßnahme nicht sinnvoll. Fachleute empfehlen entsprechende Angebote stets in einen therapeutischen Kontext einzubetten.
Neben dem Training zur Verbesserung der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten gilt es außerdem betroffenen Kindern seelische Unterstützung zu bieten. Nicht zuletzt ist auch für die Eltern eine entsprechende therapeutische Unterstützung sinnvoll, damit sie Sicherheit im täglichen Umgang gewinnen und ihr Kind in seiner Selbstwirksamkeit bestärken können. Mitunter sind zusätzlich weitere therapeutische Maßnahmen erforderlich, etwa, wenn begleitende Störungen (z. B. ADHS) vorliegen.
Ein Lese-Rechtschreibtraining sollte von einem zertifizierten Therapeuten durchgeführt werden, die Zertifizierung erteilt zum Beispiel der Berufsverband für Legasthenie und Dyskalkulie.
In vielen Bundesländern in Deutschland wirkt sich die Diagnose der Lese-Rechtschreibstörung auf die Notengebung aus. Ein sogenannter Nachteilsausgleich bewirkt, dass Rechtschreib- und Lesefehler nicht benotet werden dürfen und Kinder mehr Zeit für Klassenarbeiten bekommen. Die länderspezifischen schulrechtlichen Vorgaben sollte die jeweilige Schule mit betroffenen Eltern besprechen.
Was können Sie selbst bei einer Legasthenie tun?
Oftmals fühlen sich Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung seelisch belastet. Eltern können viel dazu beitragen, um ihr Kind sowohl psychisch als auch im Lernen zu unterstützen. Verständnis und Zuwendung geben Kindern dabei Halt. Da sich Erfolge nicht sofort einstellen, ist auch Geduld gefragt. Positive Ermunterungen motivieren und Lob für jeden kleinen Teilerfolg stärkt das Selbstvertrauen. Zudem hilft vielen Betroffenen der Gedanke, nicht alleine zu sein – Legasthenie ist keine Seltenheit. Eltern helfen Kindern mit Legasthenie auch, indem sie ihre Stärken erkennen und bewusst fördern. Ein offener Austausch zwischen Eltern und Lehrern ist wichtig, um die Lese-Rechtschreibstörung schnell und richtig zu erkennen und sie zu behandeln.
Veröffentlicht am: 04.06.2024
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ICD Codes(s)
ICD Codes sind Internationale statistische Klassifikationen der Krankheiten zu finden z.B. auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) oder Ärztebriefen.
- F81
- Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm
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Quellen
[1]: Bundesverband für Legasthenie und Dyskalkulie. Legasthenie – was ist das? https://www.bvl-legasthenie.de/legasthenie.html
[1]: Neurologen und Psychiater im Netz. Was ist eine Lese-Rechtschreibstörung?
https://www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/kinder-jugendpsychiatrie-psychosomatik-und-psychotherapie/stoerungen-erkrankungen/lese-rechtschreibstoerung-/-legasthenie
[3]: AWMF-Online. Diagnostik und Behandlung bei der Lese- und/oder Rechtschreibstörung. https://register.awmf.org/assets/guidelines/028-044l_S3_Lese-Rechtschreibst%C3%B6rungen_Kinder_Jugendliche_2015-06-abgelaufen.pdf
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