Narkolepsie: Wenn mehr hinter Tagesschläfrigkeit steckt

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Zusammenfassung
Die Narkolepsie ist eine chronische Erkrankung, die durch einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus gekennzeichnet ist. Die genauen Ursachen sind derzeit nicht vollkommen geklärt und Gegenstand aktueller Forschung. In den meisten Fällen ist zu wenig von einem Hormon, dem Hypokretin, im Gehirn vorhanden. Hypokretin ist für die Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich.
In Deutschland sind ca. 40.000 Menschen von dieser seltenen neurologischen Erkrankung betroffen.
Betroffene leiden unter anderem an Tagesschläfrigkeit, ausgeprägter Müdigkeit und Schlafattacken am Tag. Die Narkolepsie ist nicht heilbar, jedoch können Medikamente die Symptome behandeln und die Lebensqualität deutlich verbessern.
Was ist die Narkolepsie?
Die Narkolepsie ist eine neurologische Erkrankung, die das Gehirn und bestimmte Hormone im Gehirnwasser betrifft. Sie ist umgangssprachlich auch als Schlafsucht bekannt. Bei der Erkrankung liegt eine gestörte Regelung des Schlaf-Wach-Rhythmus vor.
Es gibt zwei Arten der Narkolepsie:
- Die Typ 1 Narkolepsie weist als zusätzliches Symptom eine sog. Kataplexie (akuter, vorübergehender Verlust der Muskelkraft und Muskelspannung) auf.
- Die Typ 2 Narkolepsie tritt ohne Störung der Muskulatur auf.
Was sind die Symptome einer Narkolepsie?
Typische Anzeichen einer Narkolepsie sind Tagesschläfrigkeit, vermehrte Erschöpfung und plötzliches Einschlafen. Die Schläfrigkeit wird tendenziell schlimmer, je inaktiver man ist. Wenn ein Schlafanfall eintritt, gibt es keine Möglichkeit, etwas dagegen zu tun. Häufig geht auch das Bewusstsein verloren.
Selbst herbeigeführte Nickerchen sind eher unangenehm. Obwohl extreme Müdigkeit vorliegt, schlafen Menschen mit Narkolepsie kürzer und wachen mehrmals in der Nacht auf.
Weitere mögliche Symptome der Narkolepsie sind:
- Kataplexie (emotional getriggerte vorübergehende Muskelschwäche)
- Schlaflähmung (Unfähigkeit, sich zu bewegen oder zu sprechen)
- Halluzinationen (Trugwahrnehmung, die alle Sinne betreffen kann), die beim Übergang zwischen Wachheit und Schlaf auftreten
Die Kataplexie betrifft häufig die Gesichtsmuskulatur. Die Muskeln erschlaffen – so fällt der Kopf beispielsweise zur Seite. Wenn die Rumpf- und Beinmuskeln betroffen sind, hat der Körper keine Stabilität mehr und man fällt zu Boden. Diese Erschöpfung der Muskulatur kann wenige Sekunden bis zu einigen Minuten andauern und wird häufig durch positive Gefühle, wie Freude und Lachen, ausgelöst. Jedoch können auch Stress und Anspannung die Kataplexie im Rahmen einer Narkolepsie verstärken.
Im Extremfall entsteht ein sogenannter Status Kataplektikus: Dieser ist durch stundenlange, immer wiederkehrende Anfälle von Muskelerschöpfung gekennzeichnet. Dieser Status kann spontan verschwinden, manchmal lässt er sich jedoch nur medikamentös durchbrechen.
Die Schlaflähmung tritt häufig beim Aufwachen oder kurz vor dem Einschlafen auf. In dieser Situation ist es nicht möglich, sich zu bewegen oder zu sprechen. Diese Phase dauert Sekunden bis Minuten an. Vor allem, wenn sie das erste Mal auftritt, verursacht sie ein Gefühl von Angst und Machtlosigkeit.
Auch Halluzinationen sind ein Symptom der Narkolepsie. Die Betroffenen sind aber meist in der Lage, diese Trugwahrnehmung als unreal einzuschätzen. Die Halluzinationen treten beim Einschlafen (hypnagog) oder beim Aufwachen (hypnopompisch) auf. Es sind teilweise alle Sinne betroffen und die Wahrnehmungen wirken somit besonders lebendig.
Menschen mit Narkolepsie haben häufiger psychische Begleiterkrankungen (z.B. Depressionen, Angststörungen). Zudem sind sie stärker unfallgefährdet, da gerade die plötzlichen Muskelerschöpfungen ein unvorhersehbares Risiko darstellen. In den meisten Fällen treten jedoch nicht alle Symptome bei einer Narkolepsie auf.
Bei Kindern kann die Schläfrigkeit zu Verhaltensauffälligkeiten und Konzentrationsproblemen führen.
Wie entsteht die Narkolepsie?
Bei der Narkolepsie ist der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört. Die genauen Ursachen sind derzeit nicht geklärt, jedoch geht man von einer erblichen Veranlagung (genetischen Ursache) aus.
Bei der Narkolepsie Typ 1 vermuten Experten eine sogenannte autoimmune Ursache: Der Körper kämpft gegen seine eigenen Nervenzellen im Gehirn. Diese Zellen liegen in einem Teil des Zwischenhirns, dem Hypothalamus. Sie sind für die Produktion des Hormons Hypokretin (Orexin) verantwortlich, welches im Gehirnwasser (Liquor) vorkommt und den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. Sobald ein Großteil der Hypokretin-produzierenden Nervenzellen zerstört ist, treten Narkolepsie-typische Symptome auf.
Die Narkolepsie Typ 2 ist noch weniger erforscht und geht mit normalen Hypokretin-Werten im Gehirnwasser einher.
Wie stellt der behandelnde Arzt eine Narkolepsie fest?
Häufig besteht der Verdacht auf eine Narkolepsie bereits im Kindesalter. Es dauert häufig mehrere Jahre, bis die richtige Diagnose gefunden ist. Sie wird meistens zwischen dem 8. und 22. Lebensjahr gestellt.
Eltern berichten häufig, dass ihr Kind tagsüber einschläft und beim Aufwachen kurze Zeit regungslos ist. Oder sie schildern Wahrnehmungen beim Einschlafen, die nicht real sind (Halluzinationen). Um die Verdachtsdiagnose einer Narkolepsie zu bestätigen, ist die weitere Betreuung durch einen Facharzt für Nervenkrankheiten (Neurologen) sinnvoll.
In einem Schlaflabor wird eine sogenannte Polysomnografie durchgeführt. Dabei werden viele Körperfunktionen wie Atmung, Herzrhythmus und weitere Werte während des Schlafens aufgezeichnet. Mittels EEG (Elektroenzephalografie) lässt sich die Hirnaktivität messen und verschiedenen Schlafphasen zuordnen. Diese Untersuchung ist wichtig, um andere Schlafstörungen auszuschließen.
Eine verstärkte Einschlafneigung und Tagesschläfrigkeit sind typisch bei der Narkolepsie. Der Multiple-Schlaf-Latenz Test (MSLT) untersucht genau diese Anzeichen. Dafür wird versucht, in einem dunklen Raum mehrfach pro Tag einzuschlafen. Eine kurze Einschlafphase von weniger als acht Minuten ist ein Hinweis auf die Narkolepsie.
Lässt sich die Diagnose der Narkolepsie nach diesen Untersuchungen noch nicht eindeutig stellen, messen die Ärzte die Hypokretin-Werte im Gehirnwasser. Bei dieser sogenannten Liquorpunktion stechen sie mit einer dünnen Nadel in den Wirbelkanal im unteren Rückenbereich und entnehmen dort etwas Gehirnwasser.
Wie wird die Narkolepsie behandelt?
Die Narkolepsie wird nicht ursächlich behandelt, sondern nur ihre Symptome: dabei vor allem die ausgeprägte Tagesschläfrigkeit und der plötzliche Verlust von Muskelkraft und Muskelspannung (Kataplexie).
Bestimmte Medikamente (Modafinil, Methyphenydat und Amphetamine) helfen gegen die Tageschläfrigkeit. Umgangssprachlich sind sie auch als „Aufputschmittel“ bekannt.
Andere Präparate, die auch gegen Depressionen verschrieben werden (sog. Antidepressiva), sowie der Wirkstoff Natrium-Oxybat werden gegen die Kataplexie verordnet.
Natrium-Oxybat hilft zudem dabei, kontinuierlicher zu schlafen und tagsüber weniger müde zu sein. Antidepressiva haben verschiedene Wirkungen auf die Hormone im Gehirn und verbessern somit den Schlaf.
Natrium-Oxybat, das Natriumsalz der Gamma-Hydroxybuttersäure, ist umgangssprachlich auch als Liquid-Ecstasy bekannt. Es wird illegal als K.O.-Tropfen verwendet. Es wirkt ausgeprägt dämpfend auf das Nervensystem. Die Verschreibung und auch die Einnahme erfolgen somit streng kontrolliert und nur unter genau definierten Umständen.
Was können Sie selbst bei einer Narkolepsie tun?
Die Narkolepsie basiert auf einem gestörten Schlaf-Wach Rhythmus und wird durch viele zusätzliche Faktoren beeinflusst. Sie ist eine chronische Erkrankung, deren Symptome durch Medikamente gut kontrollierbar sind. Unter einer guten Therapie ist die Lebenserwartung normal.
Hilfreich ist grundsätzlich eine gesunde Lebensweise:
- Ernähren Sie sich gesünder (z.B. weniger Fleisch, Fett und Zucker).
- Treiben Sie mehr Sport.
- Verzichten Sie auf das Rauchen.
Um mit einer Narkolepsie den Alltag zu bewältigen, ist es hilfreich, das Umfeld um Unterstützung zu bitten. Der Partner oder die Partnerin und die Familie sind gerade bei hinzukommenden Muskelproblemen (Kataplexie) eine enorme Hilfe.
Vielen Menschen hilft eine Psychotherapie dabei, die Krankheit zu akzeptieren und besser damit umzugehen. Um einer Verschlechterung der Narkolepsie entgegenzuwirken, achten Sie auf Ihre emotionale Stabilität. Es ist hilfreich, sich einzugestehen, dass das Leben nicht so hektisch und schnell verlaufen kann. Nehmen Sie sich Zeit für sich und achten Sie auf Ihren Körper.
Veröffentlicht am: 11.03.2022
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ICD Code(s)
ICD Codes sind Internationale statistische Klassifikationen der Krankheiten zu finden z.B. auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) oder Ärztebriefen.
- G47
- Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2025/index.htm
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Quellen
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