Wechselwirkungen - Was versteht man darunter und wie werden Interaktionen vermieden?

Schnelleinstieg in unsere Themen
Arzneimittel können sich gegenseitig beeinflussen – manchmal mit schwerwiegenden Folgen. Doch viele dieser Wechselwirkungen lassen sich vermeiden, wenn man sich an bestimmte Einnahmeregeln hält. Lesen Sie weiter, um mehr zu erfahren.
Was versteht man unter Wechselwirkungen?
Die Wirkstoffe einzelner Arzneimittel können sich gegenseitig beeinflussen. Wechselwirkungen zwischen zwei oder mehreren Medikamenten können beispielsweise auftreten, wenn die Einnahme in einem zu kurzen Abstand zueinander erfolgt. Je mehr Medikamente Sie einnehmen müssen, umso höher ist das Risiko, dass Wechselwirkungen auftreten. Dies muss nicht immer nachteilig sein, manchmal ist eine Wechselwirkung zwischen zwei Wirkstoffen besonders erwünscht, wenn dies gleichzeitig bedeutet, dass die Nebenwirkungen der einzelnen Wirkstoffe schwächer ausfallen. In manchen Medikamenten kommen in Tablettenform daher entsprechend kombinierte Wirkstoffe vor. In vielen Fällen können sich verschiedene Medikamente aber auch negativ beeinflussen. Dann verringert sich beispielsweise ihre Wirksamkeit oder sie bleibt schlimmstenfalls ganz aus. Auch eine erhöhte Wirksamkeit oder stärkere Nebenwirkungen können möglich, aber ungewollt sein. Hat eine unerwünschte Interaktion beispielsweise Einfluss auf das Herz oder den Insulinspiegel im Blut, kann dies sogar lebensgefährlich sein.
Welche Wechselwirkungen durch Arzneimittelinteraktionen gibt es?
Oral eingenommene Medikamente in Tablettenform gelangen über den Blutkreislauf an den Ort an dem sie wirken sollen. Zunächst jedoch löst sich der eingenommene Wirkstoff im Magen oder dem Dünndarm auf und tritt über die jeweiligen Schleimhäute in die Blutbahn ein. Die meisten Wirkstoffe müssen zuerst die Leber passieren, bevor sie über den Blutkreislauf an ihren Bestimmungsort kommen.
In der Leber bauen Enzyme die Wirkstoffe um oder ab, so dass sie die Leber in einer aktiven oder nicht-aktiven Form in den Blutkreislauf verlassen. Bei gleichzeitig eingenommen verschiedenen Arzneimitteln kann so in der Leber über verschiedene Mechanismen der Grundstein für mögliche Wechselwirkungen gelegt werden.
Gehemmter Abbau: Blockiert ein Wirkstoff A ein Enzym, das für den Abbau eines anderen Wirkstoffs B verantwortlich ist, liegt Wirkstoff B in einer höheren Konzentration vor als vorgesehen und kann so länger oder stärker im Körper wirken. In der Folge können die für das Arzneimittel typische Nebenwirkungen stärker auftreten. Ist es für die Behandlung einer Erkrankung wichtig, dass Betroffene beide Wirkstoffe im gleichen Zeitrahmen einnehmen, muss der Arzt oder die Ärztin die Dosis von Wirkstoff B anpassen.
Wirkungsverlust und Nebenwirkungen: Verhindert ein Wirkstoff, dass ein zweiter aus dem Darm aufgenommen wird oder verstärkt er hier dessen Aufnahme, wirkt sich dies auf die Konzentration des zweiten Wirkstoffs im Blut aus. Ist sie zu niedrig, kommt es zu einem Wirkungsverlust mit der Folge, dass die Erkrankung unzureichend behandelt wird. Ist die Konzentration im Blut zu hoch, kann es zu einem verstärkten Auftreten von Nebenwirkungen kommen.
Wechselwirkungen zwischen Wirkstoffen, Lebensmitteln und Alkohol
Wechselwirkungen kommen aber nicht nur zwischen den Wirkstoffen verschiedener Arzneimittel vor, auch Lebens- und Genussmittel können die Wirkung von Arzneimitteln beeinflussen. So verstärkt Alkohol zum Beispiel die sedierende Wirkung von Beruhigungsmitteln. Herrscht Unsicherheit darüber, wie mehrere verordnete Medikamente einzunehmen sind, kommt der beste Rat aus der Apotheke. Hier kann man Ihnen genau sagen, in welcher Reihenfolge und in welchen zeitlichen Abständen die Arzneimittel einzunehmen sind und was darüber hinaus noch zu beachten ist. Ratsam ist es aber immer, die Tabletten mit einem Glas Wasser einzunehmen, da hiermit keine Wechselwirkungen entstehen.
Lebensmittel
Eines für die Arzneimitteleinnahme kritisches Lebensmittel ist zum Beispiel Milch. Milch enthält, wie andere Milchprodukte oder manche Mineralwässer, Kalzium. Eingenommen mit Milch, gehen manche Medikamente im Magen mit dem Kalzium schwerlösliche Verbindungen ein. Dies führt dazu, dass der Körper den Wirkstoff nicht mehr in der gewünschten Menge aufnimmt und die Wirkung entsprechend schwach ausfällt.
Alkohol
Die Leber baut viele verschiedene Arzneimittel ab. Je langsamer der Abbau von statten geht, desto länger halten Wirkung und eventuelle Nebenwirkungen des Wirkstoffs an. Ist die gleiche Enzymgruppe für den Abbau des Alkohols und des Wirkstoffs verantwortlich und trifft beides gleichzeitig in der Leber ein, dann ist der Abbau beider Substanzen verlangsamt und die Wirkungen und Nebenwirkungen halten länger an. So kann Alkohol zum Beispiel die magenschleimhautreizende Nebenwirkung von Acetylsalicylsäure (ASS) verstärken. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Vergiftung, wenn die Leber den Wirkstoff bis zum nächsten Einnahmezeitpunkt noch nicht vollständig abgebaut hat.
Wirkt das eingenommen Arzneimittel ähnlich dämpfend, das heißt beruhigend und entspannend, auf das zentrale Nervensystem wie Alkohol, kann es auch zu einer gegenseitigen Wirkverstärkung kommen. Im Falle von Schlaf- oder Beruhigungsmitteln sind hier in extremen Fällen Atem- und Herzstillstand die Folge, weil der Alkohol zusätzlich die Blutgefäße erweitert und so den Blutdruck senkt.
Welche Arzneimittel und Lebensmittel verursachen häufig Wechselwirkungen?
Es gibt verschiedene Arznei- und Lebensmittel sowie pflanzliche Wirkstoffe, deren Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen bekannt sind.
Johahnniskraut und orale hormonelle Kontrazeptiva („Pille“ u.ä.)
Johanniskraut ist ein pflanzliches Heilmittel (Phytopharmazeutikum) und ist mittlerweile sehr gut erforscht. Ein Inhaltsstoff von Johanniskraut wirkt wie Antidepressiva stimmungsaufhellend. Nehmen Frauen, die hormonell mit der „Pille“ verhüten, zusätzlich Johanniskraut ein, kann es zu Wechselwirkungen kommen. Das Johanniskraut sorgt dabei dafür, dass eine bestimmte Enzymgruppe das Kontrazeptivum schneller abbaut. Dadurch wird seine Wirkung verringert, es kann zu Zwischenblutungen und möglicherweise auch zu ungewollten Schwangerschaften kommen. Auch bei der Anwendung eines Hormonpflasters, eines Vaginalrings oder eines Implantates, das auf der systemischen Wirkung von Hormonen beruht, können mögliche Wechselwirkung auftreten.
Ibuprofen und Cortison
Kortisonpräparate und Ibuprofen reizen beide die Magenschleimhaut. Zusammen eingenommen, kann sich dieser unerwünschte Effekt verstärken. Häufig wird hier zusätzlich ein magenschützendes Medikament wie Pantoprazol gegeben.
Sildenafil und Nitrate
Nitrate erweitern die Blutgefäße, indem sie die Gefäßmuskulatur entspannen. Sie kommen beispielsweise zum Einsatz, um bei erhöhtem Blutdruck das Herz zu entlasten oder um die Symptome einer Herzenge (Angina pectoris) zu mindern. Sildenafil – ursprünglich entwickelt, um Bluthochdruck zu behandeln – kann Erektionsstörungen entgegenwirken (erektile Dysfunktion). In Kombination eingenommen, kommt es zu einer verstärkten Blutdrucksenkung. Daher sollen diese Wirkstoffe nicht gleichzeitig verwendet werden.
ASS und Gerinnungshemmer
ASS wirkt nicht nur gegen Schmerzen und Entzündungen, auch hemmt es die Blutgerinnung und verhindert so, dass sich Blutgerinnsel bilden. Ist es dauerhaft verschrieben, so zum Beispiel nach einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall, ist eine Kombination von ASS mit anderen Gerinnungshemmern wie Heparin, Phenprocoumon oder Clopidogrel nachteilig. Die so verstärkte Blutverdünnung kann zum Beispiel zu Magenblutungen, Nasenbluten und einer verlängerten Blutungszeit führen.
Grapefruit und Grapefruitsaft und seine Wirkung auf verschiedene Arzneien
Verschiedene Bestandteile der Grapefruit und auch der Pomelo hemmen das Enzym CYP3A4 aus einer Enzymgruppe, die unter anderem auch in der Darmwand vorkommt und bestimmte Wirkstoffe bereits zum Großteil abbaut, bevor diese durch die Darmschleimhaut ins Blut gelangen. CYP3A4 ist bei jedem Menschen unterschiedlich aktiv. Dies kann genetische Gründe haben, aber auch regelmäßig eingenommene Lebensmittel wie Knoblauch oder Ingwer sowie Genussgifte wie Nikotin und Alkohol verändern seine Aktivität.
Haben Sie Grapefruit, Grapefruitsaft oder Pomelo konsumiert und zeitgleich bestimmte Arzneimittel eingenommen, wird das Enzym CYP3A4 gehemmt und damit der Abbau des Arzneimittels blockiert. In der Folge kommt mehr Arzneimittelwirkstoff durch die Darmwand in den Blutkreislauf. So kommt es zu einer Überdosierung, die ernste Folgen haben kann. Häufig kommt dies bei Cholesterinsenkern wie Atorvastatin, Lovastatin und Simvastatin vor. Weitere Arzneimittel, die sich nicht mit Grapefruits vertragen, sind Gerinnungshemmer (Clopidogrel, Ticagrelor und Rivaroxaban) oder das Antibiotikum Erythromycin.
Einnahmeregel für Aspirin und Ibuprofen
Die gleichzeitige Einnahme von ASS und Ibuprofen vermindert die gefäßschützenden Eigenschaften von ASS. ASS 100 mg zum Beispiel ist eine Dosis, die Menschen nach einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall oft dauerhaft einnehmen, um das Blut in den Gefäßen flüssig zu halten. Diese Dosis hat jedoch keine schmerzlindernde Wirkung.
Kommen Schmerzen hinzu, greifen viele zu Ibuprofen. Beide Wirkstoffe, ASS und Ibuprofen, hemmen das Enzym COX. Im Kern dieses Enzyms liegen die Andockstellen für beide Wirkstoffe eng beieinander. Wird Ibuprofen vor ASS eingenommen, blockiert es für ASS den Zugang zur Andockstelle. Dadurch kann das ASS nicht die gewünschte gefäßschützende Wirkung entfalten. Eine kurzfristige gleichzeitige Anwendung dieser Kombination ist jedoch unkritisch. Bei einer dauerhaften Medikation mit beiden Wirkstoffen hingegen ist eine Einnahmeabfolge zu beachten. So ist es ratsam, ASS mindestens eine halbe Stunde vorher und mindestens acht Stunden nach der letzten Einnahme von Ibuprofen einzunehmen.
Was können Sie tun, um Wechselwirkungen zu vermeiden?
Um Wechselwirkungen zu vermeiden, sollten Sie auf folgende Punkte achten:
- Halten Sie sich an die empfohlene Einnahme des Wirkstoffs. Diese Angaben sind allerdings manchmal missverständlich. So bedeutet die Einnahme auf den nüchternen Magen, dass Sie den Wirkstoff 30 bis 60 Minuten vor der Mahlzeit oder frühestens zwei Stunden nach der letzten Mahlzeit einnehmen sollten. Daher ist hier die Einnahme nicht nur morgens möglich, wie einige Menschen vermuten. Sollen Sie das Arzneimittel vor der Mahlzeit einnehmen, planen Sie einen zeitlichen Mindestabstand von 30 bis 60 Minuten ein. Manche Medikamente können Sie mit der Mahlzeit oder kurz danach einnehmen oder unabhängig von den Mahlzeiten zu einem beliebigen Zeitpunkt.
- Achten Sie darauf, dass Sie die verordneten Arzneimittel nur mit Wasser einnehmen.
- Trinken oder essen Sie keine Grapefruit oder auch Pomelo, wenn Sie gleichzeitig Medikamente einnehmen müssen. Die Wirkung der Grapefruit oder auch der Pomelo kann von 24 Stunden bis zu mehreren Tagen andauern.

- Trinken Sie keinen Alkohol, wenn Sie gefäßerweiternde oder schlaffördernde Arzneien einnehmen, verzichten Sie am besten ganz auf den Alkoholgenuss, wenn Sie dauerhaft Arzneien einnehmen.
- Lassen Sie sich in Ihrer Apotheke hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen den Ihnen verschriebenen Arzneimittel beraten. Dies ist zum Beispiel online bei Shop Apotheke möglich. Dazu füllen Sie das Online-Formular mit allen Angaben zu den Ihnen verordneten Medikamenten aus. Unsere Apothekerinnen und Apotheker prüfen übrigens bei jeder neuen Bestellung mögliche Wechselwirkungen und betrachten dabei auch Bestellungen, die bis zu sechs Monate zurückliegen. Kommen im Rahmen dieses Wechselwirkungs-Checks Bedenken auf, erhalten Sie zeitnah eine entsprechende Benachrichtigung und eine Empfehlung.
Veröffentlicht am: 16.09.2021
Letzte Aktualisierung: 23.01.2025
____________________________________________________________________________________________________________________________
Das könnte Sie auch interessieren
Quellen
[1] aerzteblatt.de Arzneimittelinteraktionen. https://www.aerzteblatt.de/archiv/128411/Arzneimittelinteraktionenzneimittelinteraktionen
[2] Deutsche Apothekerzeitung. Arzneimittel und Alkohol: Dauerstress für die Leber. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2010/daz-14-2010/arzneimittel-und-alkohol-dauerstress-fuer-die-leber
[3] Pharmazeutische Zeitung. Update zu Grapefruit. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-052013/update-zu-grapefruit/
[4] Pharmazeutische Zeitung. Grapefruit und Arzneimittel. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/pharm1-31-2005/
[5] PTAheute. ASS 100 mg und Ibuprofen – eine häufige Interaktion. https://www.ptaheute.de/serien/haeufige-interaktionen/ass-100-mg-und-ibuprofen-eine-haeufige-interaktion
[6] AOK Die Gesundheitskasse. So wirken Medikamente richtig. https://www.aok.de/pk/medizinprodukte-medikamente-arzneimittel/hinweise-medikamenteneinnahme/
[7] ArztCME. Arzneimittelinteraktionen. https://www.arztcme.de/elearning/therapie-chronischer-schmerzen-schwerpunkt-opioide---unter-besonderer-berucksichtigung-des-einsatzes-von-co-analgetika-und-antidepressiva/#!page=lernmodul/arzneimittelinteraktionen
[8] Deutsche Apothekerzeitung. Interaktionen mit CYP3A4. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2012/daz-40-2012/interaktionen-mit-cyp3a4
[9] Deutsche Apothekerzeitung. ASS protect und Ibuprofen: ein No-Go. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2015/01/21/ass-protect-und-ibuprofen-ein-no-go
[10] Gebrauchsinformation L-Thyroxin 100 1 A Pharma® https://1a-files.de/pdf/gi/46334013_L-Thyrox_1A_100%C2%B5g_Tbl_LFT.pdf
[11] Gelbe Liste Arzneimittel-Interaktionen mit Nahrungsmitteln https://www.gelbe-liste.de/arzneimitteltherapiesicherheit/nahrungsmittel-interaktionen
Unsere Qualitätskontrolle

"Die Beratung und Information unserer Kunden liegt uns besonders am Herzen: Mit dem Ratgeber erhalten Sie kompaktes Apotheker-Wissen zu vielen Gesundheitsthemen – recherchiert und geschrieben von unserem Experten-Team."
Als leitende Apothekerin steht Theresa Holler mit Ihrem großen Apotheker-Team hinter unseren Ratgebern. Hier erhalten Sie immer fundiertes Wissen zu vielen verschiedenen Gesundheitsthemen. Mit dem Ratgeber von SHOP APOTHEKE können Sie sich nicht nur schnell über verschiedene Themen informieren, Sie erhalten außerdem wichtige Apotheker-Tipps zu bewährten Arzneimitteln.