Beckenbodentraining: Übungen für einen starken Beckenboden

Die Beckenbodenmuskulatur dient zur Vermeidung einer Inkontinenz (Ungewolltes auslaufen von Urin oder Stuhl) bei Frauen und Männern. Durch Anspannen unterstützt die Muskulatur die Harnröhre, den Schließmuskel, die Harnblase und den Darmausgang.

Der ungewollte und unerwartete Verlust von Urin ist für die Betroffenen oftmals unangenehm und frustrierend. Aus Schamgefühl wird das Problem in der Öffentlichkeit häufig vermieden. Dabei stellt der unkontrollierte Urinabgang keine Seltenheit dar. Schuld dafür ist ein schwacher Beckenboden, der Frauen öfter betrifft als Männer. Insgesamt leiden ca. 33% Frauen und 25% Männer unter einem ungewollten Harnverlust, welcher zu 40% durch Belastung ausgelöst wird. Am häufigsten betroffen ist die Altersgruppe der 60-Jährigen mit 40%, gefolgt von den 40-59-Jährigen mit 25% und der Altersgruppe der 20-39-Jährigen mit 10%.

Die Funktionen des Beckenbodens sind sehr vielfältig und abhängig von der jeweiligen Situation. Durch die aufrechte Position des Menschen wird Druck nach unten ausgeübt. Der Beckenboden sorgt dafür, dass der Bauch und die Organe im Becken gehalten werden und unterstützt zusätzlich den Verschluss der Harnröhre und der Vagina sowie des Darms.

Anspannen:
Durch das Anspannen des Beckenbodens werden die Bauch- und Beckenorgane nach unten hin abgestützt. Zusätzlich führt dies dazu, dass die Öffnungen am After, an der Harnröhre und an der Scheide verschlossen bleiben und nichts ungewollt austritt. Trägt man zum Beispiel eine schwere Last, dann entsteht ein stärkerer Druck, dem der Beckenboden Widerstand leisten muss, um den Austritt von Flüssigkeiten zu vermeiden.

Entspannen:
Bei verschiedenen Aufgaben muss sich der Beckenboden entspannen und öffnen.
Dies ist unter anderem wichtig beim:

• Wasserlassen
• Stuhlgang
• bei einer Geburt
• Geschlechtsverkehr (bei Frauen)
• Erektion (bei Männern)

Beim Orgasmus beispielsweise pulsiert der Beckenboden, hierbei erfolgt An- und Entspannung im Wechsel.

Reflektorisch Gegenhalten:
Ein gesunder Beckenboden spannt sich automatisch an, wenn der Druck auf ihn erhöht wird und beugt dadurch einen ungewollten Austritt von Urin vor. Dies ist vor allem beim Husten, Lachen, Niesen oder beim Heben schwerer Gegenstände von Bedeutung.

Nur ein starker Beckenboden kann diese Funktionen ohne Probleme ausführen. Ein gut trainierter Beckenboden weist aber auch noch weitere Vorteile auf:

• Er stabilisiert den unteren Bereich der Wirbelsäule und beugt dadurch Rückenschmerzen vor
• Frauen können beim Geschlechtsverkehr mehr Lust empfinden, bei Männern steigern intakte Beckenbodenmuskeln die Potenz
• Er sorgt für eine aufrechte Körperhaltung

Die meisten Menschen werden mit dem Thema Beckenboden erst konfrontiert, wenn er ihnen Probleme bereitet. Denn ein schwacher Beckenboden kann sehr unangenehme Folgen haben. Hierzu zählen:

• Inkontinenz (unkontrollierter Abgang von Urin oder Stuhl)
• Beckenbodensenkung und das dadurch entstehende Absinken der inneren Organe
• Sexuelle Probleme
• Schmerzen im Unterleib
• Rückenschmerzen
• Menstruationsprobleme
• Blasen- und/oder Prostataprobleme

Die Ursachen für einen schwachen Beckenboden können vielfältig sein. Zu den Risikofaktoren gehören:

• Eine Schwangerschaft und eine vaginale Geburt
• Hormonelle Veränderungen (z.B. in den Wechseljahren oder bei langzeitiger Einnahme der „Pille“)
• Übergewicht
• Schwere Arbeit
• Chronischer Husten
• Schlechte Körperhaltung
• Übermäßig häufiges Sitzen
• Schwaches Bindegewebe, besonders bei Frauen
• Hohes Alter

Wie verändert sich der Beckenboden während einer Schwangerschaft und Geburt?

Der Beckenboden spielt insbesondere während einer Schwangerschaft und bei einer Geburt eine tragende Rolle und verändert sich in dieser Zeit.

Während der Schwangerschaft dehnt sich der Beckenboden unter dem Druck des Kindes und wird lockerer. Die Muskulatur wird aber nicht nur durch das Gewicht des Babys und der Gebärmutter beansprucht. Die Gewichtszunahme, hormonelle Veränderungen sowie eine veränderte Haltung schwächen sie zusätzlich. Daher ist es bereits in der Schwangerschaft sinnvoll, den Beckenboden zu stärken und ein Gefühl für ihn zu bekommen.

Bei einer vaginalen Geburt muss sich der Beckenboden so weit auseinander dehnen, bis das Köpfchen des Kindes durchpasst. Dabei wird die Muskulatur stark überdehnt. Zusätzlich kann es zu Verletzungen durch z.B. einen Dammriss kommen. Ein gut trainierter Beckenboden kann dabei helfen, die Geburt zu erleichtern. Denn wenn eine Frau gelernt hat. Ihren Beckenboden bewusst wahrzunehmen, kann sie ihn in der Regel gut entspannen, wenn das Baby nach draußen drückt. Nach der Geburt ist wichtig, dem Beckenboden wieder Stabilität zu verleihen. Hierfür eignet sich ein Rückbildungskurs oder das Training zu Hause nach einer Einweisung, die oftmals bereits im Krankenhaus oder durch die Hebamme erfolgt. Das Training sollte möglichst schnell nach der Geburt aufgenommen werden.

Um einen schwachen Beckenboden effektiv therapieren zu können, sollte zunächst die Ursache bekannt sein. Liegt der Beckenbodenschwäche Übergewicht, Bewegungsmangel und ungesunder Lebensstil zugrunde, dann lässt sich diese gut therapieren. Sportliche Aktivitäten wie Schwimmen oder Radfahren können leicht durchgeführt werden. Eine gesunde Ernährung kann mit einem Ernährungsberater oder dem Arzt besprochen werden, um das Gewicht langfristig zu reduzieren. Dennoch sollte nicht auf das Beckenbodentraining verzichtet werden, denn dieses ist besonders effektiv und bringt gute Erfolge. Das Beckenbodentraining ist nicht nur bei bestehender Beckenbodenschwäche hilfreich, sondern kann auch vorbeugend angewendet werden.

Vor dem Beginn des Beckenbodentrainings sollte man sich zunächst Zeit nehmen, um die eigene Muskulatur aktiv wahrzunehmen. Hier können vor dem Training beispielsweise folgende Übung eingebaut werden:

Ausgangslage: Entspannte Bauchlage mit einem seitlich angewinkelten Bein. Arme liegen locker neben dem Körper.

Übung: Beckenbodenmuskulatur mit aller Kraft anspannen, ohne dabei andere Muskeln zu beanspruchen. Damit dies einfacher gelingt, können sie sich vorstellen, dass Sie beim Wasserlassen den Urinstrahl unterbrechen. Diese Anspannung kurz halten und anschließend entspannen. Die Übung sollte 8x wiederholt werden, mit jeweils 30 Sekunden Pause zwischen jeder Übung. Um sich nicht zu überanstrengen, sollte die Übung jedoch beendet werden, wenn einem die Kraft ausgeht.

Es müssen nicht alle Übungen ausgeführt werden. Es reicht, wenn man sich 1-2 Übungen aussucht, die einem besonders gut gefallen. Diese müssen dann jedoch regelmäßig durchgeführt werden. Die Übungen können zudem auch gesteigert werden, wenn man trainierter ist. Alle hier angegebenen Übungen sind nur eine kleine Auswahl. Es gibt viele verschiedenen Übungen, Trainingsarten und auch mehrere Hilfsmittel (z.B. Gymnastikbälle, Hula-Hoop-Reifen), die verwendet werden können.

Sollten Fragen oder Unsicherheiten im Vor- oder im Zuge des Trainings entstehen, dann kann es hilfreich sein, sich einer Gruppe anzuschließen. Denn es gibt viele verschiedene Hebammen, Sportvereine und Gesundheitsinstitute, die Kurse zum Beckenbodentraining anbieten.

Eine Elektrostimulation kann alternativ zum körperlichen Training unterstützen. Hierbei reizt ein Gerät den Beckenboden mit elektrischen Strömen und übernimmt somit die Arbeit.

Konservative Methoden reichen in manchen Fällen nicht aus, um einen schwachen Beckenboden und die einhergehenden Begleiterscheinungen zu therapieren. Wenn dies der Fall ist oder Sie an einer Beckenbodensenkung leiden, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Frauen sollten sich dabei an ihren Gynäkologen und Männer an einen Urologen wenden. Diese werden dann die Beckenbodenmuskulatur untersuchen und die möglichen Ursachen und Maßnahmen abklären. Hier könnten zum Beispiel eine Gewichtsreduzierung, Hormontherapien oder in manchen Fällen auch eine Operation hilfreich sein.

Was den Beckenboden anbelangt, sind Männer gegenüber Frauen im Vorteil. Dies liegt in ihrer Anatomie, denn ihr Beckenboden ist anders aufgebaut als bei Frauen und wird auch weniger beansprucht. Dadurch leiden Männer seltener unter Problemen mit ihrem Beckenboden. Faktoren wie eine schlechte Haltung, Übergewicht und übermäßiges Sitzen sowie eine Prostata-OP können jedoch auch ihr Beckenboden sehr beanspruchen und schwächen. Daher kann ein Beckenbodentraining auch für Männer Sinn machen. Zudem können gezielte Übungen und spezielle Beckenbodentrainer Erektionsstörungen und Inkontinenz vorbeugen oder beheben.

Wie können Männer ihren Beckenboden trainieren?

Prinzipiell können die meisten Übungen für den Beckenboden sowohl von Männern als auch von Frauen ausgeübt werden. Dennoch möchten wir hier auch noch eine Auswahl an Übungen für den Mann vorstellen:

• • 1. Ausgangsposition: Vierfüßler-Stand.
    Übung: Beckenboden aktivieren und Spannung halten und dabei den Druck von den Knien in Richtung Füße verlagern. Währenddessen die Knie mit einer kleinen Bewegung 8x vom Boden abheben.
  • 2. Ausgangsposition: Liegend auf dem Rücken mit angewinkelten Beinen und mit einem Kissen oder einem Ball zwischen den Knien.
    Übung: Die Spannung auf den Ball oder das Kissen verstärken, indem man mit den Knien gegen den Ball drückt. Diese Spannung einige Sekunden halten und anschließend wieder loslassen. Dadurch kann die Spannung nach innen verstärkt und der Beckenboden aktiviert werden. Die Übung sollte 8x wiederholt werden, mit einer Pause von 30 Sekunden zwischen den Übungseinheiten.
  • 3. Ausgangsposition: Auf dem Boden sitzend mit ausgestreckten Beinen. Hände werden mit den Handflächen nach unten ein wenig hinter dem Körper platziert, dabei zeigen die Finger in Richtung Gesäß.
    Übung: Gesäß nach oben heben, sodass die Beine und der Oberkörper eine gerade Linie bilden. Heben Sie nun ein Bein vom Boden ab und halten diese Position für paar Sekunden. Anschließend diese Übung mit dem anderen Bein ausführen. Wiederholen Sie diese Übung 8x mit jeweils 30 Sekunden Pause zwischen den Übungseinheiten.

Auch für Männer gilt, dass nur so lange geübt werden soll, wie man sich wohlfühlt und nichts übertrieben oder erzwungen werden sollte.

Veröffentlicht am: 07.06.2022