Was ist Telemedizin?

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Telemedizinische Angebote, wie zum Beispiel die Videosprechstunde, haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Im Rahmen der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens und beflügelt durch die Corona-Pandemie, decken die telemedizinischen Leistungen einen immer größeren Raum in der Patientenversorgung ab. So könnten diese Leistungen für die Digitalisierung des Gesundheitswesens eine Vorbildfunktion einnehmen. Erfahren Sie hier mehr über die Vorteile der Telemedizin.
Was bedeutet Telemedizin?
Telemedizinische Versorgungsformen finden einen zunehmend breiteren Einsatz in Deutschland und werden mittlerweile in vielen medizinischen Fachgebieten angewendet. So kann die Telemedizin entweder in der Arzt-Patienten-Kommunikation oder zwischen Ärzten und Krankenhäusern untereinander (in sogenannten Telekonsilen) stattfinden. Hier fokussieren wir uns auf die telemedizinischen Angebote im Arzt-Patienten-Kontakt.
Laut der Bundesärztekammer (BÄK) ist Telemedizin ein Sammelbegriff für ärztliche Versorgungskonzepte, die über räumliche Entfernungen oder zeitlichen Versatz hinweg mit der Hilfe von digitalen Hilfsmitteln und Kanälen (z. B. über Videotelefonie, Messenger, E-Mail) erbracht werden. Man unterscheidet daher auch zwischen synchroner und asynchroner Telemedizin.
Synchrone Telemedizin
Die synchrone Leistungserbringung findet in Echtzeit statt, zum Beispiel im Rahmen einer Live-Videosprechstunde zwischen dem ärztlichen Fachpersonal und dem Patienten.
Die Videosprechstunde ermöglicht beiden Seiten eine enorme Flexibilität und Zeitersparnis. Da keine Anfahrten bis zur Praxis anfallen, können Patienten die Wartezeit bis zum Termin bequem zuhause verbringen. Damit ist die Videosprechstunde leichter in den Alltag zu integrieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass von der Videosprechstunde und anderen synchronen telemedizinischen Leistungen nicht nur privat Versicherte profitieren. Auch die gesetzlichen Krankenkassen erstatten mittlerweile diese Leistung.
So zum Beispiel
- bei akuten Schmerzen, Fieber, Grippe, Hautproblemen sowie Schlafstörungen, Depressionen und Angstzuständen
- für Folgerezepte zum Beispiel für chronisch Erkrankte
- für digitale Krankschreibungen und Überweisungen zum Spezialisten
- für psychotherapeutische Gespräche
- bei der Impfberatung.
Asynchrone Telemedizin
Die asynchrone Telemedizin zeichnet sich durch die zeitversetzte Kommunikation zwischen dem ärztlichen Fachpersonal und Patienten aus. Dies kann ganz ohne Termin und Wartezeiten passieren. Ein Chat-Bot oder ein Fragebogen übernimmt als digitale Lösung die Anamnese (d.h. die Fragen zur Erkrankung an den Patienten). So wird im Vorfeld geklärt, welche Symptome, Allergien oder Vorerkrankungen vorliegen. Die so gewonnenen Informationen werden dem Arzt oder der Ärztin dann strukturiert übermittelt, was eine Beurteilung des Falles deutlich beschleunigt.
Diese Zeitersparnis verschafft dem Arzt oder der Ärztin mehr Zeit für die eigentliche Diagnose und die Handlungsempfehlung. Diese erhalten die Patienten nach einem definierten Zeitfenster schriftlich. So können sie sich in Ruhe mit den erhaltenen Informationen beschäftigen. Patienten, die von einem klassischen Arztbesuch wiederkommen, fehlt diese schriftliche Zusammenfassung in der Regel. Das zeigen die Ergebnisse eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Mehr als 60 Prozent der Betroffenen recherchieren ihre Diagnose im Internet und bleiben dann nicht selten irritiert und überfordert mit den gefundenen Informationen zurück. Durch die schriftlichen Informationen hingegen werden die Patienten und Patientinnen in Richtung Patient Empowerment (Patientenautonomie) unterstützt. Die Vorteile der asynchronen Telemedizin liegen dabei klar auf der Hand:
Convenience (Komfort)
- Die Beratung kann ganz ohne Termin und zu jeder Tageszeit erfolgen.
Freie Kapazitäten schaffen
- Beide Parteien müssen nicht zur selben Zeit verfügbar sein und Mediziner und Medizinerinnen können das Anliegen innerhalb einer bestimmten Frist beantworten. Dies schafft Effizienz und freie Kapazitäten.
Mehr Zeit für die Beratung
- Die beratenden Ärzte können sich auf diese Weise stärker auf individuelle Therapieempfehlungen konzentrieren und die Empfehlungen verständlich ausarbeiten.
Welche Bedeutung hat Telemedizin in Deutschland?
Die telemedizinische Behandlung gewinnt in Deutschland an Bekanntheit und wird zunehmend häufiger genutzt. Begünstigt wird dies zum einen von dem generellen Trend zur Digitalisierung von Dienstleistungen, zum anderen durch die Liberalisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Dabei stellt die Liberalisierung des Fernbehandlungsverbots im Jahr 2018 durch die ärztliche Selbstverwaltung den größten Meilenstein dar – eine Entscheidung, die sich in verschiedene weitere Maßnahmen einreiht.
- So ist zum Beispiel die Videosprechstunde für private und gesetzlich Versicherte erstattungsfähig, d.h. sie wird von den Krankenkassen für den Patienten wie eine normale Sprechstunde abgerechnet.
Beflügelt wurde diese Entwicklung der digitalen Sprechstunde durch die Corona-Pandemie, die zudem noch weitere Rahmenbedingungen schaffte.
- So hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Teil der Corona Sonderregelungen unter anderem seit März 2020 die Begrenzungsregelung für Videosprechstunden aufgeboben. Bis dahin war es Ärzten und Ärztinnen und Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen lediglich gestattet, pro Quartal maximal jeden fünften Patienten per Video zu behandeln. Seit April 2022 ist die Begrenzung für Behandlungen bei der Videosprechstunde von 20 auf 30 Prozent erhöht worden.
Telemedizinische Anwendungen öffnen Ärzten weitere Möglichkeiten, Patienten gut zu versorgen. Jedoch sind telemedizinische Leistungen als unterstützende Behandlungsformen zu sehen und sollen den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt nicht komplett ersetzen, sondern eine ergänzende Option bieten.
Wie wird Telemedizin in Deutschland genutzt?
Der Studie „Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit 2020“ des Health Innovation Hub und der Stiftung für Gesundheit zufolge stieg vor allem der Anteil an Videosprechstunden seit dem Jahr 2020 an. So gaben mehr als die Hälfte der befragten Ärzte an, dass die Videosprechstunde seit Beginn der Corona-Pandemie bis zu 20 Prozent der Sprechzeit einnahm. Zum Vergleich: Vor der Pandemie spielte diese Form der Telemedizin bei 84 Prozent der Teilnehmenden keine Rolle. Im Jahr 2021 wurden 3,5 Millionen Videosprechstunden in Deutschland von Vertragsärzten abgerechnet, was einem Anstieg von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Zwar wird die Videosprechstunde in der Arzt-Patienten-Kommunikation eine ergänzende Option bleiben, dennoch wird für die Zukunft ein nachhaltiger Effekt erwartet: Rund dreiviertel der Arztpraxen gehen davon aus, dass auch künftig bis zu 20 Prozent der Sprechstunden per Video erfolgen werden.
Fazit: Wachstum und Potenzial telemedizinischer Anwendungen
In vielen Fällen kann die Fernbehandlung die medizinische Versorgung in der Arztpraxis sinnvoll ergänzen und Kommunikationswege verkürzen. Jedoch stehen wir noch am Anfang: Die Videosprechstunde war ein erster Eisbrecher, der Vertrauen in das Produkt Telemedizin aufbauen konnte und besonders in der Zeit von Corona an Attraktivität gewann. Grundsätzlich ist es aber nur der erste Schritt, denn Telemedizin ist mehr als die Übertragung von Offline zu Online. Der größte Hebel entsteht, wenn wir nicht nur den Arztbesuch an sich, sondern auch den Ablauf und die Prozesse dahinter hinterfragen und anpacken.
Daher will Gesundheitsminister Jens Spahn:
„… die Chancen der Digitalisierung jetzt nutzen und dafür sorgen, dass Innovationen schnell in den Versorgungsalltag kommen“
Veröffentlicht am: 03.03.2021
Letzte Aktualisierung: 22.02.2023
Quellen
[1] ÄrzteZeitung. Die Videosprechstunde kommt an. https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/Die-Videosprechstunde-kommt-an-410124.html
[2] Bundesärztekammer. Telemedzin. https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/telematiktelemedizin/telemedizin/
[3] European Commission. Market study on telemedicine. https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/ehealth/docs/2018_provision_marketstudy_telemedicine_en.pdf
[4] Frankfurter Allgemeine. Telemedizin bereichert die Gesundheitsversorgung. https://www.faz.net/asv/medizin-der-zukunft/telemedizin-bereichert-die-gesundheitsversorgung-17043704.html
[5] Hagge F, Knopf A, Hofauer B. Chancen und Einsatzmöglichkeiten von Telemedizin in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde bei der Bekämpfung von SARS-COV-2. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7160613/
[6] Healthcare computing: Fortschritt durch asynchrone Telemedizin. https://www.healthcare-computing.de/fortschritt-durch-asynchrone-telemedizin-a-964327/
[7] Kassenärztliche Bundesvereinigung. Telemedizin. https://www.kbv.de/html/telemedizin.php
[8] McKinsey & Company: eHealth Monitor 2020. https://www.mckinsey.de/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/deutschland/news/presse/2020/2020-11-12%20ehealth%20monitor/ehealth%20monitor%202020.pdf
[9] Obermann K, Brendt I, Hagen J: Ärzte im Zukunftsmarkt Gesundheit (2020): Ärztliche Arbeit und Nutzung von Videosprechstunden während der Covid-19-Pandemie. https://hih-2025.de/wp-content/uploads/2020/06/Studie-zur-Videosprechstd_hih_SG.pdf
[10] Bitkom Research 2020. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Jeder-Zweite-recherchiert-seine-Krankheitssymptome-im-Netz
[11] Kassenärztliche Bundesvereinigung Ausschließliche Behandlung per Video bei rund jedem dritten Patienten möglich – Begrenzung wird zum 1. April angehoben. https://www.kbv.de/html/1150_57682.php
[12] E-Health Monitor 2022: E-Health in Deutschland: Ausbau der vernetzten Gesundheitsversorgung geht zögerlich voran. McKinsey & Company. https://www.mckinsey.de/news/presse/ehealth-monitor-2022